Dieser Text entstammt dem Buch Reinhold Brinkmann (Hg.): Improvisation und neue Musik, Mainz: Schott 1979, S.66-95. Er wurde als Referat auf der 33. Hauptarbeitstagung des Instituts für Neue Musik und Musikerziehung in Darmstadt im April 1979 vorgetragen. Leider ist das Buch nicht mehr erhältlich und das Exemplar des BIS Oldenburg verschollen. Da ich den Text immer noch für einen wichtigen Beitrag zu dem Problem der Improvisation im musikpädagogischen Zusammenhang halte, sei er hier präsentiert.


Fred Ritzel

"DIESER FRECHE BLÖDSINN WIRD SEIT JAHREN IN DEN SCHULEN GEDULDET"

ÜBER IMPROVISATION IN DER MUSIKPÄDAGOGIK

I Einleitung

Zunächst möchte ich etwas zur Vorgeschichte dieses Referats sagen. Um verständlich zu machen, wieso ich hier gerade einen historischen Überblick zur Improvisation in der Musikpädagogik für wichtig halte. Wir haben uns an der Universität Oldenburg 1978 im Rahmen eines Unterrichts-Projekts mit Möglichkeiten des Musikmachens im Klassenunterricht beschäftigt. Dies zu einem Zeitpunkt, als die Karlsruher Bundesschulmusikwoche das Wiederaufleben eines neumusischen Praktizismus alter Art im Schulmusikunterricht anzukündigen drohte. Das Unangenehme daran war, daß auch wir meinten (und meinen), daß Musikmachen einen wesentlichen Teil des Schulmusikunterrichts ausmachen muß - jedoch nicht nur als Improvisation, auch als Realisation von Massen- und Kunstmusik.

Es machte uns betroffen, welche ungeahnt divergenten Positionen die Trendwende in der Musikdidaktik, die wir an uns und anderen bemerkten, mitvollzogen. Daraus ergab sich für uns die Konsequenz, einmal nachzuforschen, welche Argumentationen in der historischen Musikpädagogik für Musikmachen in der Schule benutzt wurden. Ein damals vorläufig von Peter Schleuning und mir zusammengestellter Reader mit historischen Positionen (vom Ende des 18. Jh. bis in die 50er Jahre) zeigte uns sehr schnell, wie alt viele aktuelle Positionen eigentlich sind und wie eigene Überzeugungen plötzlich zu kränkeln beginnen, wenn man sie in Zusammenhängen auftauchen sieht, denen man eher mit Mißtrauen gegenüberstand. Dies betraf auch den Bereich der musikalischen Eigenproduktivität in der Schule, der - obwohl bereits Anfang des 19. Jh. wichtige Ansätze in der musikpädagogischen Literatur diskutiert wurden - im Laufe des 19. Jh. in keinem staatlichen Lehrplan auftaucht, der in der Weimarer Zeit sowohl in der Fachdiskussion wie in den Lehrplänen fast zentrale Berücksichtigung findet, in der NS-Zeit schlagartig in den Hintergrund tritt, in der Bundesrepublik schließlich, nach einer Phase der Restauration in den 50er Jahren, ab Mitte der 60er Jahre ungewöhnliche Ausmaße annimmt, während er gleichzeitig in der DDR (nach einer vergleichbaren Restaurationsphase) total zu verschwinden scheint.

Unsere damalige Literaturbasis habe ich in den letzten Monaten erheblich ausgeweitet, wobei es mir nun Schwierigkeiten macht, die Fülle von interessanten Meinungen und Auseinandersetzungen in den knappen Zeitraum eines Referats zu bündeln.(1) Dazu kommt die hohe Komplexität des Gegenstands, seine Verstrickung in soziale, politische, ästhetische, psychologische, pädagogische u. v. a. Zusammenhänge. Dies kann bestenfalls angerissen werden. Meine Absicht hier wäre erfüllt, wenn ich Ihnen etwas von der Irritation vermitteln könnte, die uns vorsichtiger und nachdenklicher werden ließ.

II 18. und 19. Jahrhundert: "Selbstthätig nach eigenem Gebilde"

"Erst da beginnt das Zeitalter der Musik, wo nicht blos Repräsentanten die höhere Kunst ausüben - wo die höhere Kunst zum Gemeingut des Volkes, d4er Nation, ja der ganzen europäischen Zeitgenossenschaft geworden, wo die Menschheit selbst in das Element der Musik aufgenommen wird‘, sagt Nägeli zu Beginn des 19. Jh.; ein anderer, nämlich Joseph Goebbels, besteht 1935 darauf, "die Kunst und Kultur nicht etwa auf eine kleine und dünne Oberschicht beschränkt bleiben zu lassen, sondern sie wieder an die breiten Massen des Volkes heranzutragen". Dies, obwohl E. Preussner, einer der wichtigsten Theoretiker der Weimarer Musikpädagogik bereits 1929 geglaubt hatte, mit ihrer Hilfe die "Kluft zwischen gebildeter Oberschicht und bildungsloser Masse" schließen zu können. Gelungen ist es offenbar keinem, denn E. Karkoschka bemerkt noch 1973 zur Improvisation: "Musikmachen müßte nicht länger mehr Privileg eines kleinen Bruchteils der Menschen bleiben. Hoffentlich geht auch einiges von diesem Traum einmal in Erfüllung." (2)

Sucht man in den vergangenen 200 Jahren nach Spuren von musikalischer Eigenproduktivität in Theoriekonzepten von Schulmusikunterricht, so fällt auf, daß dieser Aspekt immer dann eine Rolle spielt, wenn im allgemeinen politischen Leben demokratische Tendenzen stärker zum Ausdruck kommen. Umgekehrt verschwindet er - gelegentlich sogar direkt bekämpft -, wenn antidemokratische Strömungen die Oberhand gewinnen. Dann steht der eng normierte "nützliche Untertan" zur Ausbildung an und subjektive Entfaltung wird verdächtig. So spiegeln auch die o. a. Zitate Denkfiguren, die wichtigen musikpädagogischen Phasen ihren Stempel aufdrücken, die den Widerspruch zwischen elitärer Herrschaftskultur und allgemeiner volksbildnerischer Zielsetzung andeuten.

Der Wunsch nach einer allgemeinen Volksbildung, die eine allgemeine musikalische Bildung einschloß, war Teil eines Ideenrepertoires, das unter dem Einfluß von Aufklärung, von Staats- und Erziehungstheorien im Vor- und Umfeld der französischen Revolution Ende des 18. Jh. entstand und in dessen Zusammenhang sich die Vorstellung vom musikalisch selbsttätigen und -erfindenden Kind entwickelte. Von der Musik erhoffte man sich eine sozial integrierende Funktion, sie sei geeignet,

"sowohl die Harmonie der Gemüthskräfte des Individuums, als die Uebereinstimmung der Gemüther in menschlicher Wechselwirkung zu befördern ... Das Kunstwesen der Musik ist in der Ausübung seiner Natur nach demokratisch. Hier ist es, wo die Majestät des Volkes sich offenbart . . . "

(Nägeli 1809).(3)

Im Chorgesang nämlich, auf dessen technische Anforderungen die Schulen vorbereiten, dessen Inhalte den nationalbewußten, humanen Bürger prägen sollten. Ansatzweise tauchte auch der Gedanke der musikalischen Eigenproduktivität auf, eher als Methode denn als Selbstzweck (allerdings nicht bei Nägeli). Schon Rousseau hatte 1762 im "Emile" gefordert, die schöpferische Erfindung in die musikalische Erziehung der Kinder einzubeziehen; Pfarrer Maier proklamierte in seiner Gesanglehre 1810 das philanthropische Lehrprinzip der Selbsttätigkeit, seine Schüler sollten "selbstthätig nach eigenem Gebilde handeln!", z. B. den Musiklehrestoff in eigenen kleinen "Kompositionen" als Hausaufgaben rekapitulieren. Weiter ging bereits Horstig um 1800, der die spontanen Liedbearbeitungen von Kindern registriert und schätzt, und vom Schüler erst dann verlangt, "daß er von Noten etwas abspielen soll, bis er seine eigne Worte und Gedanken aus seinem Kopfe richtig abspielen kann". (4)

Eine konsequente Forderung, die vom Respekt vor der Subjektivität der Kinder zeugt und über eine bloß methodisch begründete Selbsttätigkeit hinausgeht. Das Kind wird nicht mehr als reines Erziehungsobjekt gesehen, es wird als Mensch mit seinen Erfahrungen akzeptiert, der Lehrer geleitet es bei seiner Entfaltung. Zumindest suggerieren dies derartige Aussagen, in der Praxis dürfte durchaus Gängelung - wenn auch mit besten Absichten - die Regel gewesen sein. Sicher blieb man dem realen Leben der Kinder noch sehr fern (ein bis heute akutes Problem), formierte dieses eher künstlich nach Wunsch und Vorstellung des Pädagogen zu einer kleinen moralträchtigen Idylle, Böses hielt man fern, auch im Musikunterricht. "Durch Takt wird der Mensch zur Ordnung geführt, im Denken, Fühlen und Handeln ... Die Straßenlieder, die einen so nachtheiligen Einfluß auf unsere Kinder haben, werden so durch das Bessere verdrängt" (Abs 1811). Und Nägeli formulierte 1809 bereits einen der Grundgedanken der Volksmusik-Ideologie der späteren Jugendbewegung: "Und so führt die ächt musikalische Bildung dahin, wohin alle wahre ästhetische Bildungskunst führen kann und soll, zur lebendigsten und innigsten Verschmelzung einer heiligen Stimmung und Gesinnung, zur Religiosität ...".(5)

Daß unter solchen Einschränkungen die Erfindungsfreude von Kindern an eine idealistisch-moralisierende Kette gelegt wurde, ist evident. Fröbel, der Erfinder des Kindergartens, hat dies erkannt, indem er den Realitätsbezug der Unterrichtsgegenständeexplizit verstärkt.

"Das unmittelbar Fordernde fesselt, hemmt, tödtet; es richtet das Kind ab und macht es zur Marionette. Das mittelbar Anregende, z. B. im Spiegel des Liedchens, ohne moralisierende Nutzanwendung, giebt dem Gemüthe und Willen des Knaben die innere Freiheit, welche für dessen Entwicklung und Erstarkung so nothwendig ist, nur muß hier wieder das äußere und innere Leben des Knaben (dieß ist freilich die erste und unerläßliche Forderung) damit in Uebereinstimmung stehen. " (Fröbel 1826)

Seine Konsequenz ist die Naturidylle der kindlichen Umwelt, die er allerdings als erster improvisationspädagogisch vermittelt. Er schildert recht anschaulich die Methode des "gesungenen Unterrichts", in dem der Lehrer Umweltphänomene (etwa Regentag) singend aufgreift, singend Fragen formuliert und über ein Wechselgespräch die Klasse allmählich zu spontaner musikalischer Erfindung anregt, die schließlich zu singend formulierten Wünschen führt (besseres Wetter).

"Aber vergessen darf bei diesem Unterrichte, wenn man ihn, da er Darstellung des eigenen Lebens des Kindes ist, Unterricht nennen will, nicht, daß er von dem eigenen Leben des Schülers aus, und aus demselben wie eine Knospe, eine Sprosse hervor gehen müsse. Die Empfindung, das innere Leben muß nothwendig voraus gehen, ehe dem Knaben Worte und Ton gegeben werden darf, und dieß ist besonders die trennende Verschiedenheit dieses Unterrichtsganges von dem, welcher Kinder und Knaben nur von Außen kleine Geschichtchen und Liedchen anlernt, die darum auch weder Leben erweckend, noch Leben erfassend und darstellend sind." (6)

Immerhin, dies 100 Jahre vor Jödes "schaffendem Kind" und etwa zur gleichen Zeit, als Goethes Wilhelm Meister in der pädagogischen Provinz seiner Wanderjahre erstmals eine kollektive vokale Gruppenimprovisation vernimmt.(7)

Um einem falschen Eindruck vorzubeugen: die Ideen von Horstig, Maier u. a. blieben vereinzelte Ausnahmen in der musikpädagogischen Ideenlandschaft, erst gegen Ende des Jahrhunderts sollte sich dies ändern. Doch zeigt sich bereits hier recht deutlich, in welche Zusammenhänge die schulmusikalische Eigenproduktivität verflochten ist. Aktive musikalische Teilhabe des Volkes bedeutete durchaus aktives Musikmachen, die pädagogisch vermittelte Anregung dazu konnte sich nicht an der Praxis der repräsentativen Kunstmusik orientieren, die soziale Erfahrung und Umwelt der Kinder mußte bedacht werden, sie sollte Anlässe bieten, in musikalisch gestützten Ausdruck verwandelt werden. Schwierigkeiten hatte man (und dies bis heute) mit der Massenmusik, die sicher einen gewichtigen Teil der musikbezogenen Erfahrung der Kinder bestimmte. (Auffallend erscheint die Ähnlichkeit dieser Ansätze mit wichtigen Teilen der musikpädagogischen Konzeption der musikalischen Jugendbewegung.)

Die notwendige Einbeziehung der Musik des "gemeinen Volkes" ließ den biederen Musikpädagogen sicher die Haare zu Berge stehen. Eigentlich nur bei sozial-revolutionären Geistern wie etwa Theodor Hagen war so etwas denkbar, der in seinem Buch "Civilisation und Musik" 1846 feststellte, daß die Straßenmusik diejenige ist, "die am meisten Eigenthum des Volkes genannt werden kann", daß die Tanzmusik "dem Volk am zugänglichsten" ist. Wohl sieht er die Gefahren (etwa bei der "Mittelclasse"-Unterhaltung durch Tanzmusik à la Strauß), glaubte jedoch an deren positive Veränderung, sobald das Volk sich einmal "des Elements der musikalischen Bildung bemächtigt" habe.(8) Derartige Zeugnisse aus dem Lager der politischen Opposition blieben Randphänomene (und verschwanden gar aus der Musikgeschichtsschreibung, bis heute).

Die Intentionen des Staates waren natürlich gänzlich andere. Er brauchte nützliche Untertanen, durch Pauken und Zucht sollte "der Eigensinn oder der Eigenwille mit Fleiß gebrochen werden" (Preußen 1763)(9), eine Intention, die auch durch die Schul-"Reforrnen" des 19. Jh. nicht verändert wurde. Dies bestätigt die Kölner Verordnung von 1828, die der musikalischen Unterweisung Bildung des Gefühls, Gewöhnung und Kräftigung des Willens und schließlich die Gewöhnung an gemeinsame Unterordnung beimißt. Artikulation der Lebenserfahrung durch eigene Erfindungstätigkeit war da sicher gefährlich (so verbot man etwa gegen Strafe von 1 Thaler das Auszieren und improvisierte Umspielen von Chorälen)(10). Die Nationalerziehung verlangte nach bürgerlichen Tugenden, die sie durch Einüben von Vaterlands-, Kirchen- und genehmen Volksliedern auf mehr oder weniger sanftem Weg gerade durch den Gesangsunterricht gewährleistet sah. Immerhin gingen die Richtlinien noch bis zur Mitte des 19. Jh. auf die gängige Musikpädagogik ein, jedoch unter totaler Aussparung des Bereichs der Erfindungsübungen, der individuellen Verarbeitung der sozialen Umgebung. Nach der 48er Revolution verschärfte sich das Staats-Reglement empfindlich (Stiehlsche Regulative), unbotmäßigen Lehrern, die gar politische Lieder in den Unterricht einbrachten, drohte das Berufsverbot.(11)

Alles Verdächtige wurde eliminiert, der Liedkanon eingeschränkt, musikalische Unterweisung total dem staats-funktionalen Bildungsziel untergeordnet, die Marionette Schüler gar hinsichtlich ihres physischen Zustands bestimmt.(12) Die Falkschen Reformen von 1872 mildern den Grundzug nur unwesentlich, das kaiserliche Deutschland brauchte nach dem Sieg über Frankreich weiterhin den optimierten Untertan. Die Musikpädagogik zog in der Regel mit. Wohl verstand sie sich als Anwalt des Kindes, jedoch vor allem als "freundlicher Zuchtmeister" (Ranke 1879). Fröbels Methode und Ideen werden von Ranke scharf kritisiert, ihre freisetzende Potenz als gefährlich erachtet: "Auch in der jungen unbeschäftigten Seele hat jede aufsteigende ... böse Lust, jede ungeordnete Regung und schlimme Neigung von vornherein gewonnenes Spiel. " Es gilt, rohes Begehren zu zivilisieren: "Dieses ‚Brechen des Willens‘ bildet ... eine der ersten Hauptaufgaben der Erziehung: wird es in den ersten Lebensjahren versäumt, so ist der Schaden später nur schwer gut zu machen. " (Ranke 1879)(13)

Die Beschäftigung mit der Kunstmusik um ihrer selbst willen war in der preußischen Schule der Stiehlschen Regulativen verpönt, erst mit der Falkschen Reform machten sich leichte Veränderungen bemerkbar. H. Kretzschmar schließlich forderte gegen Ende des 19. Jh. energisch den gebührenden "Respekt vor der Musik und ihren Vertretern", Max Ast vernahm 1914 den "Ruf nach der Kunst für das Volk und die Jugend‘, die Schulsingstunde sollte sich nach Hugo Löbmann 1914 zu einer "Feierstunde der Seele" verwandeln, in der man die Jugend einer "künstlerischen Bestrahlung" aussetzt - zwar noch mit kaiserreichem Gesang, jedoch mit Tendenz zur Kunstmusik und ihrem höheren Wesen.(14) Der Eintritt der Kunstmusik in die Schulmusik sei deswegen angedeutet, weil im Verlauf der musikpädagogischen Entwicklung im 20. Jh. deren curriculare Bewertung häufig in Zusammenhang mit der Auseinandersetzung um die Bedeutung der eigenen Erfindungstätigkeit bzw. der Improvisation von Schülern gesehen werden muß (vgl. später). Um die Jahrhundertwende vereinigt sich mit diesem neuen Zielbereich das Wiederaufleben pädagogischer Ideen aus dem frühen 19. Jh. , in deren Folge auch die Vorstellung vom musikalisch selbstschaffenden Kind deutliche Konturen annimmt.

Den Kontext bestimmen insbesondere die reformpädagogischen Bestrebungen mit ihren Akzentuierungen Kunsterziehung, Landerziehungsheim, Arbeitsschule und der "Pädagogik vom Kinde aus". Nicht mehr der Stoff, sondern das Kind sollte im Mittelpunkt stehen (Ellen Key), es sollte Künstler sein dürfen, produktiv schaffen; die Unterrichtsanstalt sah man als Stätte der Gemeinschaftserziehung, den Schüler als Partner, Mitarbeiter, sein Lernprozeß sollte vor allem selbsttätig, gar selbst prüfend, tendenziell selbsterziehend sein. Der Zusammenhang mit dem wachsenden Demokratieverständnis der Zeit ist offenkundig, gegen die von oben verordnete Erziehung wurde man allmählich allergisch.(15) Auf den Kunsterziehungstagen 1905 in Hamburg wurde auch die Musik- und Körpererziehung in die neuen Bildungsabsichten eingebunden. Fröbel und Rousseau waren noch nicht vergessen; die Jugendbewegung, Jaques-Dalcrozes Rhythmische Erziehung, die Reformpädagogik, die politischen Strömungen - all dies vereinigte sich zu einem Konglomerat von Ideen, die schließlich nach dem 1. Weltkrieg in das Kestenberg-Jödesche Musikpädagogik-Programm der Weimarer Sozialdemokratie mündeten. Ein wichtiger Teil dieses Programms konzentrierte sich auf die Konzeption des "schaffenden Kindes in der Musik" (um einen zentralen Buchtitel Jödes zu zitieren), nun erstmals auch in staatlichen Lehrplänen verankert.(16)

Natürlich gab es in der Übergangsphase viel Kritik, meist vorsichtige, doch der "Kunstsozialismus" - wie Preussner 1929 die neue Richtung bezeichnet (17) - ließ sich nicht aufhalten. Von 1919 an beginnt eine rege Veröffentlichungstätigkeit zu Fragen der Improvisation in der Schule. Einige wichtige Stränge seien dargestellt, zur genaueren Information verweise ich auf Arbeiten von Günther, Härting, Hodek,- Trautner.(18)

III 1918-1933: "Das schaffende Kind in der Musik"

Die Musikpädagogik der Weimarer Zeit hatte große Ziele. Mittels ästhetischer Maßnahmen glaubte sie, den jungen Versuch einer politischen Demokratie in Deutschland kulturell flankieren zu können, ohne dabei allerdings aus einer stringenten Analyse der ökonomischen und politischen Bedingungen kultureller Tätigkeit in dieser Zeit realistische Strategien abzuleiten. Das Programm wirkte oft eher mystifizierend, an wichtigen Stellen vage, immer jedoch recht vollmundig. Musik als Gesinnung, als geistiges Gesetz über und im Menschen, Musizieren als Feier und Gottesdienst (Jöde 1919) bestimmte ein neues Menschentum (Kühn 1923), das den einheitlichen Kulturwillen des deutschen Volkes zum Ausdruck bringen sollte (Kestenberg 1921).(19) Der Schrei nach Gemeinschaft" (Rabsch 1925)(20) schallte gegen den elitären Konzertbetrieb, da "der kommerzielle Geist der vergangenen Jahrzehnte Kunst zur Luxus- oder Genußware degradierte". Der "Philister" habe "das Kunstwerk als gesellschaftlich unentbehrliches Erziehungs- und Bildungsmittel gewertet. Die Erlösung und Befreiung durch die Kunst setzt aber erst dort ein, wo glühende Teilnahme, aktive Wahrnehmung am künstlerischen Geschehen lebendig wird und aus den vom Ausdruck Ergriffenen eine künstlerisch schaffende Gemeinde bildet. " (Kestenberg 1921)(21)

Als ein weiteres Übel wurde die Massenmusik angesehen: Jöde wetterte 1919 "gegen das Gröbste: die Salon- und Maschinenmusikseuche", Preitz 1925 gegen "gassenhauerisch-schlüpfrige Possenschlager und Jazzklänge", Schulte 1926 gegen "Shimmy, Foxtrott usw. , jene exotischen und erotischen Gebilde" und auch Wehle zitterte 1925 vor der "um sich greifenden musikalischen Verrohung" der Massenmusik seiner Zeit.(22) Die "selbsttätige Erfindung", das "schöpferische Tun", die "Improvisationsübung" wird als die Hauptwaffe gegen alle diese Übel geschmiedet. Und zwar vor allem in der Schule, sämtliche Richtlinien der Weimarer Zeit und nahezu alle Musikdidaktiken unterstreichen dies. Die alte Lernschule war vergessen, eine Schule der Selbsterziehung, der selbsttätigen, selbstschöpferischen Kinder - Vogt bezeichnet sie 1926 auch als "Kulturkampfposten" - sollte sie ersetzen.(23) Ihr musikalisches Menschenbild verkörperte sich im Musikanten, Preussner hoffte 1929 auf das

"Emporkommen eines neuen Musikdilettanten, der sich nicht mehr Musik vormachen läßt, sondern der sich durch eigene Tätigkeit an den Wert der Musik heranzuführen gewillt ist. Der Kunstsozialismus hat sein bestes Ziel im Kunstdilettanten erreicht ... Der Wunsch, die Massen durch eine Musikbildung, die genau dem Vorbild der besitzenden Klasse glich, heraufzubilden, mußte fehlschlagen ... Musik als Volkskunst ist geeignet, die durch wirtschaftliche und berufliche Verhältnisse geschaffenen Unterschiede auszugleichen".(24)

Das nun konnte sie wirklich nicht, Adorno hat in seinem Streit mit den Restaurations-Musikanten der 50er Jahre diesen Sachverhalt deutlich gemacht, und Eisler zweifelte schon 1931, indem er den Musikbetrieb der Sozialdemokratie und Jödes Volksmusikbewegung als den Versuch kennzeichnet, nur den unverbindlichen Genuß zu demokratisieren und damit den bürgerlichen Musikgebrauch in die Laienmusik zu überführen.(25) Nun hat selbstschaffende Musikpraxis sicherlich kein Vorbild in der bürgerlichen Musikpflege, und ihr theoretischer Ansatz - einmal seiner kleinbürgerlich-nostalgischen-Gemeinschaftsideologie entkleidet - bekundet durchaus eine wesentliche Bedingung demokratischer Kulturteilhabe. Die Berufung auf die historisierend verklärte soziale Musikidylle des 16. Jahrhunderts (vgl. Kestenberg-Denkschrift)(26) wird nicht konsequent bewältigt, die konkreten Erfahrungen von Musik, ihres Gebrauchs und ihrer Funktion in der sozialen Gegenwart werden durch eine künstliche Spielmusik eigentlich gekappt und nicht kritisch bearbeitet. Es entstehen Barrieren gegenüber der musikalischen Realität und ihrer Verarbeitung sowohl in der Musik der künstlerischen Avantgarde wie auch der Massenmusik.

Auf die Verfahren der Erfindungsübungen möchte ich nicht weiter eingehen, im Prinzip sind sie durch die Restaurationsphase der 50er Jahre noch bekannt. Vor allem geht es um eine selbsttätige Einführung in die Musiklehre (des "Volkslieds" im wesentlichen), um Textvertonungen in Form einer kollektiven bzw. individuellen propädeutischen Kleinkompositionsübung. Allerdings gab es auch erste Ansätze zur Kollektivimprovisation: F. Reuter beschreibt 1926 eine Unterrichtseinheit eines Kantor Schob, in der schrittweise eine Klasse zu einer Situation geführt wird, in der alle Schüler gleichzeitig Melodien zu einem Text singend erfinden. Schob zählt auch zu den wenigen Lehrern, die ihre Kinder eigene Texte erfinden lassen (die jedoch stark der damals gängigen Schullyrik entsprechen).(27)

Nicht anders als heute hatten die Schüler damals ein ausgeprägtes Interesse für Massenmusik. Trotz unverhohlener Skepsis bemerkten einige Autoren um 1930, daß daran die Schule nicht mehr vorbeigehen könne. Hin und wieder seien Schlager zu besprechen, um deren Talmiglanz zu entlarven, oder um wohlwollend das wenige Gute hinter der Masse an Minderwertigem auszumachen (z. B. Roy, Stoverock Roeseling).(28) Über die Improvisation nach exotischen und folkloristischen Mustern glaubte man musikpraktisch die massenmusikalischen Attraktionen positiv ummünzen zu können, so etwa Stoverock: "Hier erleben die Schüler stark rhythmisierte Musik, die nichts Salonmäßiges an sich hatte, sondern die ganz und gar auf primitive Naturgebundenheit gestellt war."(29) Es fällt auf, daß erst in den letzten Jahren der Weimarer Zeit sich derartige Tendenzen bemerkbar machen. Selbst mit Film als Improvisationsstimulans (nach der Kinothek-Methode) wird experimentiert (Stoverock).(30)

Erstmals zeigte sich Insider-Kritik, die etwa die harmlose Pseudoszenerie der programmatischen Improvisationsvorwürfe rügte oder sogar die später von Adorno gegeißelte "musikpädagogische Spielmusik" unter Beschuß nahm (z. B. Gombosi 1930).(31)

Die Allergie gegen den großbürgerlichen Konzertbetrieb ließ anfangs auch die Kunstmusik gelegentlich in improvisationsideologische Messer laufen. Die nicht sehr zahlreichen Kritiker an der Jöde-Richtung meldeten bald Bedenken an gegen eine drohende Geringschätzung der großen Kunstwerke. Bei Ben Esser u. a. wird 1927 darauf verwiesen, daß Erfindungsübungen zwar als interessante Vorübung sinnvoll seien, wirklich "Eigenes" vom Kind letztlich nicht geschaffen werden könne. Anderes sei viel wichtiger, nämlich die "Erziehung zu einer großen Bescheidenheit und zu einer großen Ehrfurcht vor einem Kunstwerk. Unsere Jugend leidet heutzutage sowieso schwer an der Krankheit des Alleskönnens und Alleswissens." (32) Und hart war der Schock, den Hans Pfitzner auf der 7. Reichsschulmusikwoche 1929 verbreitete:

"Es ist unseres Erachtens nicht Aufgabe der Schule, die Jugend zu schaffenden oder gestaltenden Künstlern heranzubilden, sondern bestenfalls die Aufnahmefähigkeit für die Kunst auszubilden, zu entwickeln, den Boden zu bereiten, mit einem Worte die Achtung vor dem ganzen Gebiet der Kunst zu pflegen ... In dem Gebiet der Kunst sich betätigen zu wollen, dazu gehört irgendwie ein Auserwähltsein. Bringt man diesen Gedanken der Schuljugend nicht bei, leitet sie an, sich selbst an der Kunst zu versuchen, also zu dilettieren, leitet sie an zum Pfuschen, so erreicht man das Gegenteil von dem, was erreicht werden soll, nämlich Mißachtung vor der Kunst in dem Sinne, daß jeder so erzogene Schüler glaubt, über Fragen der Kunst mitsprechen und mittun zu können ... sie sollen bescheiden im Vorhof des Tempels verbleiben ... Kunst ist aber nun einmal aristokratisch. Die Natur setzt Unterschiede ein von Talent und Nichttalent. Was ich von der sogenannten Jöde-Bewegung hörte, hat mich mit Entsetzen erfüllt ... Was ich mit meinen eigenen Augen gesehen habe ... ist musikalisches Gift für die Jugend." (33)

Die Abfuhr, die der Kestenberg-Jöde-Bewegung hier erteilt wurde, kündigte den bevorstehenden NS-Eingriff an. Nur konnten die Gegner der Weimarer Musikpädagogik sich nach 1933 auf andere Autoritäten berufen, beziehungsweise mit deren Hilfe ihre Gegnerschaft entdecken. So zitierte man etwa Hitler, der 1934 sagte: "Nur wenigen Gottbegnadeten hat zu allen Zeiten die Vorsehung die Mission gegeben, wirklich unsterblich Neues zu gestalten. Es gehört zu der Erziehung einer Nation, den Menschen vor diesen Großen die nötige Ehrfurcht beizubringen."(34) Pfitzners einseitige Argumentation übersieht durchaus die Tatsache, daß auch die Musikpädagogik des Jöde-Kreises schließlich doch zur Kunstwerk-Verehrung hinerziehen wollte. So hatte etwa R. Wicke 1928 auf der 6. Reichsschulmusikwoche bemerkt:

"Aus dem Erleben der Sachlichkeit bei der Übungsarbeit und den eigenen Gestaltungsversuchen erwächst die Achtung vor der Werkgerechtigkeit. Wird dann auf höherer Stufe der Struktur der Kunstwerke nachgegangen, so erhebt sich die Achtung zur Ehrfurcht vor dem Werk und dessen Schöpfer, der sich in den Dienst übergeordneter künstlerischer Forderungen stellte, allgemeingültige bestätigend und neue verkündend."(35)

In der NS-Zeit allerdings hat Wicke die Rolle der Gestaltungsversuche später durch Ignorieren gestraft.

IV 1933-1945: "Dieser freche Blödsinn..."

Mit dem Beginn des Dritten Reichs endete zunächst die bisherige Diskussion um die Bedeutung der selbsttätigen Erfindung im Musikunterricht. Die Überwindung der Kluft zwischen Volk und Kunst blieb weiter auf dem Programm, noch verstärkt durch die NS-Ideologie. Hans Fischer erklärt sie zu einem der "Hauptziele der völkischen Musikpolitik".(36) Jedoch sah man nicht mehr in der Erfindungsübung die adäquate Methode. Peter Raabe (Präsident der Reichsmusikkammer) rief 1934 empört, nachdem er Musikunterricht im Sinne Jödes hospitiert hatte:

"Da sollte man nun wirklich doch dazwischen hauen! Und dieser freche Blödsinn wird seit Jahren in den Schulen geduldet."(37)

Gehauen hat man schon, nämlich gewaltig unter Marxismus- und Bolschewismus-Vorwurf auf die Kestenberg-Jöde-Richtung (insbesondere auf die Person Jödes) in einer der widerwärtigsten Auseinandersetzungen um musikpädagogische Probleme.(38) Der unterstellten kollektivistischen Nivellierung und Ehrfurchtslosigkeit begegnete die NS-Musikpädagogik mit kulturpolitischen und musikpädagogischen Programmen, in denen das deutsche Volkslied, das Gemeinschaftsmusizieren, die großen deutschen Meister die zentrale Rolle spielten.(39)

Während noch 1931 Leonhard Deutsch für einen auslesefreien, nichtautoritären Musikunterricht plädiert hatte, forderte Raabe die Selektion der Begabten, "die Schule soll Zuhörer heranziehen, nicht Ausübende.(40) Nichtsdestoweniger gab es einige wenige Autoren, die noch Erfindungsübungen einsetzten, bescheiden als Einführung in die Musiklehre, als Vorbereitung auf das Musikhören.(41) Eine Ausnahme blieb die Alibi-Argumentation Diekermanns, der 1936 konstatierte, daß nur durch "Hinzunehmen von Improvisationsübungen" in genügendem Umfang bei den Schülern "die in deutscher Musik eingelagerten Kräfte" freigemacht werden können.(42)

V Improvisation in der Nachkriegszeit: Von der "eisernen Disziplin" zum emanzipatorischen Wundermittel

Irgendwie hat Musikpädagogik immer mit Feindbildern zu tun, gegen die anzukämpfen ist. Ein Grund dafür mag sicher in der ordentlich-betulichen Teilkultur von Musikpädagogen liegen, denen das Fehlen einer breiten sozialen Resonanz so zu schaffen macht, daß sie die Legitimation ihrer Arbeit daher oft übertreibend unter Beweis stellen müssen, Das Feindbildrepertoire des Dritten Reichs stand nun nicht mehr zur Verfügung, doch wurde schnell Ersatz gefunden. Ehmann argwöhnte 1950 eine "katastrophale Vermassung der Völker", in der die Lebensform des Volkslieds nicht gedeihen könne. Nur ein "geordnetes Volk", keine "organisierte Masse" liefere die nötige Basis. Daß dem Dilemma "allein mit musischen Hilfen" nicht beizukommen sei, bemerkte er - wohl ein Lernergebnis aus dem schiefgelaufenen Weimarer Versuch. Seine Strategie beabsichtigte "Einzelne sängerisch zu erwecken, sie vor eine Entscheidung zu stellen und ihr Leben in kleinen Kreisen zu ordnen und zu binden". Für die in der NS-Zeit abgedrängte Improvisation sah er dabei neue Chancen, "Wesen und Wichtigkeit der Improvisationskunst" seien nunmehr neu erkannt.(43)

Nun aber ordentlich, keine Kultivierung der freien Erfindungstätigkeit, sondern handwerkliches, lehr- und lernbar zurechtgestimmtes "Tun". Dem entsprach das Menschenbild vom improvisierenden Kind, wie es etwa T. Pfisterer 1953 entwirft:

"Äußere Ordnung führt zu innerer Ordnung, zur Disziplin. Das Sich-Beherrschen will frühzeitig gelernt werden ... Die Voraussetzung muß geschaffen werden, daß das Kind oppositionslos annimmt, was ihm gegeben wird ... Die Kinder erleben, wie die Anstrengung jedes Einzelnen zur Disziplin der ganzen Klasse führt. Sie erleben den Wert der Gemeinschaftserziehung. Und daran koppelt sie so kurzschlüssig wie widersprüchlich: "Die musikalisch-rhythmische Erziehung will dem Kinde die Gelegenheit schaffen, sich in völliger Freiheit und Eigenart bewegen zu können. Weil die Musik selber an bestimmte Formen gebunden ist, erlaubt sie dem Kinde kein Ausschweifen seiner Bewegung. Auch das sonst unlenksame Kind folgt der Musik, denn sie ist ‚unbestrittene Autorität, sie ist eiserne Disziplin."

Improvisationsübungen konnten so durchaus als soziale Übungen verstanden werden, die im freudigen Unterordnen eine Gewähr für "die sittliche Entwicklung der Persönlichkeit" boten.(44)

Ähnlich bestimmen Teuscher und Kraus/Schoch die Freiheit kindlicher Erfindung, wobei letztere den Ordnungstransfer in die Improvisation aus der Beschäftigung mit Musikgeschichte, Musiklehre und Kunstmusik ableiten.(45)

Diese Denkweise mit freier improvisatorischer Entfaltung zu verbinden war nur möglich, wenn die tatsächliche Erfahrung von Kindern zugleich ausgeblendet wurde. So verneinte H. Otto 1957 die Schöpferkraft von Kindern, indem er konstatiert, daß die "entscheidenden Nährböden für musikalische Vorstellungen" fehlen:

"Ich meine damit vor allem die traulich umsummte Wiege und die abendliche Dämmerstunde mit dem besinnlichen Tone erzählender Lieder, die mir noch aus eigener Jugend in lebendiger Erinnerung steht . . . "

So gesehen erscheint es verständlich, daß nach Otto "um unsere Kinder eine klangarme Wüste wächst".(46) Diese "Wüste" lebte natürlich zu einem nicht geringen Teil von Massenmusik, die wie in den früheren musikpädagogischen Phasen noch auf giftige Ablehnung stieß, obwohl ihre öffentliche, kommerzielle und soziale Rolle umfassender als je zuvor auf Kinder einwirkte und erstmals Jugendliche explizit als Adressaten kommerzieller Massenmusikproduktion fungierten. Und dies trotz Ächtung des Jazz und amerikanischer U-Musik im Dritten Reich als "schleichende Krankheit" (Bresgen) und "teuflische Seuche" (Hannemann).(47)

Auch der Musik der jungen Avantgarde war man nicht grün, Otto sah darin eine Provokation für Kinder. Nein, der Schuljugend der 50er Jahre war Höheres bestimmt, die Musikpädagogik wollte sie (so Friedrich 1958)

"...immer stärker von der billigen Musik weg, an die große Musik heranführen, weil die Primitivität der Bewegungsvorgänge jener den empfindlich gewordenen ‚Musiknerven‘ auf die Dauer nicht wird genügen können, weil sie nur in den großen Kunstwerken die Erfüllung der musikalischen Erfahrungen aus der Improvisation wird finden können."(48)

Der konzeptionelle Mangel dieser von NS-Verdrängung gelähmten Zeit wirkt erstaunlich, einige führende Musikpädagogen griffen fast erleichtert auf die Programme der Weimarer Zeit zurück:

Berekoven sieht den Lehrer immer noch an Lehrpläne von 1927 (Volksschule) gebunden, ähnliche Verweise nennt E. Kraus (1925, höh. Schule), und Kurt Sydow geht in seinen "Wegen elementarer Musikerziehung" (1955) explizit auf Jödes "schaffendes Kind" zurück, erweitert allerdings die Improvisationsübung ansatzweise mit freieren Materialangeboten und mit ersten Versuchen zur Kollektivimprovisation.(49) Dies blieb jedoch eine der wenigen Ausnahmen im musikpädagogischen Schrifttum, deutlichere Spuren hinterließ die Klangwelt der neuen Kunstmusik nicht, Orff-Bergese blieben noch lange das Äußerste an musikalischem Fortschritt. Das musikalische Material, der volksliedhafte Stil, die Aufgabenstellungen - all dies entsprach in der Regel den Improvisationskursen der Weimarer Zeit.(50) Von den weiterführenden Impulsen der späten Weimarer Phase war noch nichts wieder zu verspüren. Weitaus diffuser blieb auch die bildungspolitische Legitimation (hier hatte Adorno wohl dämpfend gewirkt). Die kulturkritische Tendenz der Weimarer Pädagogik hatte umfassendere und anspruchsvollere Ziele verfolgt, wenn auch z. T. inkonsequent und problematisch begründet. Eine wichtige Erkenntnis bei Jöde und Preussner, daß nämlich Ökonomie und, soziale Klassenbildung auch eine kulturelle Klassenbildung begründen,(51) war kein Gegenstand der Auseinandersetzung, die zentrale Tendenz lief zur Annäherung an die überzeitlichen Werte der großen Kunstmusik, eine Verlagerung, die den sozialen Aspekt der musikalischen Selbstäußerung des Kindes verkapselte und Improvisation zum methodischen Vehikel reduzierte.(52) In den 60er Jahren kommt wieder frischer Wind in die dahinsiechende Improvisationspädagogik, vor allem unter dem Eindruck der wie auch immer von der Schulmusik rezipierten Avantgarde. Das Verdikt von Adorno gegen die arg gerupfte bläßliche Spielmusik der Schulmusikanten hatte verunsichert. Das scheinbar ungezwungene neue Getöse der Avantgarde besaß für diejenigen, die der Musik dieses Jahrhunderts einigermaßen gefolgt waren, doch soviel emotional anregende wie kognitiv reizvolle Qualitäten (die zudem noch einfach beschreibbar, einfach in musikalische Spielregeln übersetzbar schienen), daß einige zugriffen; z. T. sogar solche, die ihre ersten Improvisationserfahrungen noch innerhalb der musischen Bewegung gemacht hatten (wie etwa Lili Friedemann, die 1969 Götschs Einfluß und Vorbild bestätigt).(53)

Gerade unter den Musikpraktikern gab es jetzt erstmals Ablehnungen der alten Improvisationspraxis. Friedemann bezeichnet es nun als primitiv, "mit dreiklangsseligen Melodien und mit ‚kleinlich‘-harmonischen Begleitstimmen" sich abzumühen. "Befreiend" wirke sie, die neue Art, gegen "die Wirkung einseitiger intellektueller Bildung" vermöge sie zu kompensieren, gar gegen den Leistungsdruck der abendländischen Gesellschaft stark zu machen. Sowohl als praktische Musiklehre wie zur Gehörbildung und zur Hinführung an neue, selbst elektronische Musik war sie zu gebrauchen. Eine neue, allgemeine Musikpraxis schien sich abzuzeichnen - Kestenberg läßt grüßen -: in der Musikpädagogik, in der Sozialpädagogik, in Familie, Heim, Gruppe, Betrieb (!), in Heilanstalten, Blindenheimen und auch auf dem Konzertpodium eröffneten sich - so jubelt 1964 Friedemann - neue Einsatzmöglichkeiten.(54) Trotz aller Übertreibungen vermochte dieser Neuansatz nach dem Dilemma der Restaurationsphase der 50er Jahre erstmals wirklich die von der NS-Zeit verschütteten produktiven Ansätze der späten Weimarer Phase weiterzuführen. Bislang war die Erfindungsübung - mit wenigen Ausnahmen - doch eigentlich eher kollektives Vor-Komponieren einer Gruppe von Einzelnen. Die Norm des erwünschten musikalischen Stils ließ spontanes, gemeinsames, interaktives Musikmachen nur schwer zu. Jetzt jedoch schien die kollektive Gruppenimprovisation möglich, alle Schüler konnten einsteigen, aber nicht zuletzt auch die Lehrer.

Neben den in den 60er Jahren eher vereinzelten Ansätzen in dieser Richtung verfolgte die zentrale musikdidaktische Debatte jedoch andere Schwerpunkte, solche, die von Kretzschmar an über die Weimarer Zeit und das Dritte Reich ununterbrochen verstärkt, und schließlich durch den Adorno-Streit mit den Restauratoren weiter angetrieben, nun in einer strikten "Orientierung am Kunstwerk" kulminierten. Michael Alt sieht 1968 das Ende der musikpädagogischen Improvisation gekommen, sie habe "nun ein letztes Rückzugsgebiet im Bereich der Elementarübung gefunden". Er begründet dies damit, daß Kinder zu einer künstlerischen Gestaltung nicht fähig seien, da ihnen eine Anknüpfung an Vorgegebenes unmöglich und Erfindung nur Reihung von vorgefundenen konventionellen musikalischen Floskeln und Formeln bedeuten und daher keine Entwicklung begründen könne. Ebenso lehnt er Orff ab, der Jöde systematisiert habe, dabei jedoch ins Archaische und Folkloristische abgerutscht sei. Ähnliches formulieren 1970 Antholz und Vogelsänger: Improvisation gilt allenfalls noch als vorbereitende Übung zum Endziel, den guten Zuhörer großer Musik heranzubilden.(55)

Für die Entwicklung der schulmusikalischen Improvisation blieb diese Position ohne Bedeutung, ab etwa 1970 breitete sich in einer Unzahl von Veröffentlichungen kollektives Gruppenimprovisieren mehr und mehr aus. Offenbar sah man darin die zentrale Musikpraxis im Unterricht, als Gegengewicht gegen vorwiegend rezeptionsdidaktisch behandelte und musiksoziologisch ausgerichtete Unterrichtsgegenstände. Das Stimulans Neue Musik diente meist zugleich auch als anzustrebendes Vorbild. "Stärkste Anregung für die Entwicklung einer fortgeschrittenen Gruppe wird sicherlich das Anhören von interessanten neuen Musikwerken sein", sagt Friedemann 1969, und Meyer-Denkmann meint 1970: "Auf der Grundlage einer experimentellen Klangerfahrung, die dem Kind freie und spontane Ausdrucks- und Betätigungsmöglichkeiten gibt, vermag ein Kind später organisch in die Grundprinzipien neuer Musik hineinzuwachsen". Auch R. Hagen formuliert, wie viele andere, als Ziel, daß seine Schüler zu einem approximativen Verständnis zeitgenössischer Musik gelangen" und W. Roscher glaubt 1973, daß die musikalische Produktionsdidaktik sich auf die künstlerische Avantgarde beziehen müsse, wie der naturwissenschaftliche Unterricht auf die Kernphysik.(56)

Die wesentlichen Material-Charakteristika dieser Musik, die man nun in Improvisationsübungen mit Schülern anschaulich bearbeiten will, sieht Friedemann u. a. in "ametrischen Rhythmen" und in "Klangmaterialien ohne skalierte (genau intonierte) Töne", die Instrumentenbehandlung wird verfremdet, das Schlagzeug dominiert.(57) Der Bezugspunkt Neue Musik wird ergänzt durch eine pessimistische Sicht der sozialen Bedrängung unserer Jugend, die nach Heindrichs "das Rauschgefühl der Zerstörung" ergriffen habe, die der Gefahr ausgesetzt sei, daß "dieser Entgrenzungsprozeß in einem allgemeinen Chaos endet, in einer Schwemme von Kitsch, Trivialität, Kritiklosigkeit, Konformismus und schließlichem Terror".(58) Das Wundermittel der schöpferischen Anarchie soll Schüler offenbar immunisieren und stark machen. Das alte Gift des Massenmusik-Konsums glaubte man neutralisieren zu können, Friedemann hofft, "daß musikalisch so erzogene Jugendliche der jeweils aktuellen Vitalmusik kritikfähig und ohne Suchterscheinungen begegnen, auch wenn wir sie nicht speziell beeinflussen", und - so Roscher - in kritische Distanz zum "Konsurnangebot der Freizeit-Lobby" gehen.(59)

Der Schluß, daß nun die "Orientierung am Kunstwerk" in eine auch musikpraktisch betriebene "Orientierung am neuen Kunstwerk" mutiert, liegt etwas schief. Denn autoritäre Fixierung an große Leitmodelle will man nicht, programmatisch besteht doch die starke Ausrichtung an den Wünschen und Möglichkeiten der Kinder - zumindest auf der Ebene der verbalen Ansprüche. Faktisch darf daran gezweifelt werden; denn was Lehrer und erfahrene Erwachsene für sich als befreiende Verfahren entdecken, bedeutet bei Kindern vielleicht eher Gegenteiliges, nämlich das bevormundende Abblocken möglicherweise wichtig gewordener musikalischer Konzepte durch den Lehrer. Überhaupt steckt wohl darin eine der Hauptschwierigkeiten, daß beliebige Klänge und Schälle, nach einfachen Ordnungs- oder Entwicklungsprogrammen eingesetzt, zu mehr oder weniger zufälligen oder zwanghaften Zeitgestalten extemporiert, keineswegs den "Punkt Null" darstellen, den ein Kind auch so begreift, um zu musikalischen Abenteuern aufzubrechen. Das Elementare, Einfache, Handhabbare erscheint eher künstlich, leblos, von außen gesetzt, weil eben keine Erfahrung aktiviert wird, die Wünsche produziert und neu bestimmte Aktualisierung ermöglicht. Viele haben bemerkt, daß die anfängliche Begeisterung, mal richtig loslegen zu können, bei Kindern sehr schnell in Langeweile umschlägt, wenig emotionale Anteilnahme entsteht und nur motorisch-blindes Agieren vorherrscht. Alle kennen dann irgendwelche trickreichen pädagogischen Maßnahmen, um über die Frustrationsphase hinwegzukommen. Wie etwa Peter Koch, der meint, daß sich der Leerlauf entschieden verändert, "wenn von Könnern erstellte Vorlagen zugrunde gelegt werden".(60) Also doch schließlich von oben eingezäunte Spielwiesen?

"Neben die rein musikerzieherische Absicht, Kinder durch Neue Musik zu einem besseren Verständnis von Musik überhaupt zu erziehen, tritt ein mehr therapeutisch-erzieherischer Effekt: durch Neue Musik eine bessere Beziehung und Bewältigung allgemein menschlich-sozialer Probleme zu erzielen",

erläutert Peter Hoch 1978. Wenn man dabei bedenkt, daß Neue Musik keine "neue Musik an sich", sondern als "Neue Musik für Kinder", eine neue Art, Kinder zur Musik hinzuführen, bedeutet, dann umreißt Hoch zwar etwas grob, aber zutreffend die wichtigsten Trends der neuen Kollektivimprovisation.(61) Umgekehrt proportional zur Ablehnung traditioneller Improvisationspraktiken steigern sich die Vorstellungen von einer breiten gesellschaftlichen Auswirkung neuer Gruppenimprovisation. Wobei Peter Hoch - wieder einmal - glaubt, daß sich "die heute bestehende Kluft zwischen Musik und gesellschaftlicher Wirklichkeit" schöpferisch schließen lasse. Dieter Schnebel - im Vorwort zu Meyer-Denkmanns "Struktur und Praxis neuer Musik im Unterricht" (1972) - paraphrasiert fast eine Denkfigur der Jugendbewegung, wenn er eine Tendenz der jüngsten Musik in die Pädagogik übertragen sieht, die eine "Verwandlung von Kunst in Leben" im Sinn habe. Keller sieht im elementaren Gruppenmusizieren die musikalische Zukunft beginnen (1975), die ehemals elitäre Stellung der Neuen Musik - so B. Gabler 1975 - "hat die Chance, zu einer allgemein verfügbaren Basis zu werden. Fast jeder kann an heutiger Musik Anteil haben, und zwar aktiven Anteil". Denn nun ließe sich auch jenen, "die nicht das Privileg eines spezifischen Instrumentalunterrichts genießen, eine tätige Beteiligung an einem musikalischen Vorgang" ermöglichen, ein die Intellektualität minderndes Fingerüben brauche nicht vorausgesetzt zu werden: "Musikmachen müßte nicht länger mehr Privileg eines kleinen Bruchteils der Menschen bleiben" (Karkoschka 1973).(62)

Die besondere pädagogische Eignung des scheinbar voraussetzungslosen Zugangs zum Musikmachen wird darüber hinaus in der besonderen Nähe zu den Bedürfnissen von Schülern gesehen. Spieltrieb, Fantasietätigkeit, Nachahrnungsbedürfnis, Freude an Klängen und Geräuschen u. a. m. sollen sich hierbei optimal entfalten können, frei von allen Zwängen (Stumme !) betreibe Improvisation den Abbau von Aggression, schaffe Einfühlungsvermögen, fördere Spontaneität, Konzentration und Sensibilität (Finkel) und last not least, so Friedrich Förstel, verstärke sich die Ablehnung von Trivialmusik, "fixierte Klangvorstellungen werden abgebaut, polyphone Stimmführungen nicht nur erfaßt, sondern sogar bevorzugt". Kein Wunder, denn endlich verfügt man über "adäquate Verhaltensformen, die Ausdruck der Mentalität Jugendlicher sind" (Meyer-Denkmann).(63) Die Übertreibungen gehen ersichtlich locker aus der Feder (und treiben manchmal auch eher komische Auswüchse).

Doch das Anspruchsrepertoire umfaßt noch weitere Bereiche, so vor allem den der sozialen Verhaltensänderungen. "Wenn Kunst als Übungsfeld für Verhalten in der Gesellschaft dienen kann, dann in besonderem Maße die Improvisation" (Kirchner 1970). "Welches künstlerische Medium wäre geeigneter zur Übung ‚solidarischer Kooperationen' ", fragt Meyer-Denkmann, denn hier gelinge es, "soziale Rollen oder Gruppenverhalten" zu dramatisieren und somit bewußt zu machen, soziales Verhalten lasse sich gar "in keiner Weise unmittelbarer realisieren".

"Durch diese Spiele wird Jugendlichen nicht nur ihre notwendige Selbstverwirklichung und Selbstdarstellung ermöglicht, sondern auch eine kritische und bewußte Einstellung zur Wirklichkeit."(64)

Wolfgang Roscher geht eigentlich noch weiter, indem er die gesellschaftliche Notwendigkeit musikalischer Produktionsdidaktik und polyästhetischer Erziehung postuliert: "Die Ergebnisse von politischer und sozialer Revolution sind auf die Dauer in Frage gestellt, wenn es nicht gelingt, ästhetische Revolution zugleich zu realisieren und zu rationalisieren". Ästhetische Erziehung in seinem Sinn verfolgt dabei: die Überwindung von Entfremdung und falschem Bewußtsein durch Partizipation des Jugendlichen an den geistigen und materiellen Produktionsprozessen der Gesellschaft, die Überwindung des Verhältnisses von Herr und Knecht durch Mitbestimmung, die funktionsgerechte Mitentscheidung ermöglicht. Ästhetische Erziehung bedeutet schließlich kritische Vermittlung von Erfahrung und Erfindung im Bereich multisensorischer Wahrnehmung sowie ihrer gedanklichen Bezüge. Die Methode des produktionsdidaktisehen Lernprozesses sieht dann so aus, daß aus dem Gespräch über Kulturerscheinungen abgeleitet wird:

"l. Planen von Musik als ästhetische Mitbestimmung,

2. Verwirklichen von Musik als künstlerische Aktion,

3. Hören von Musik als kritische Reflexion. (65)

Bei aller Sympathie und Respekt vor den Intentionen Roschers erinnert die große verbale Gebärde und ihr Abstraktionsgrad stark an die Euphorie der Weimarer Musikpädagogik. Hier wie dort steckt der Teufel in der konkreten Realität, erst die Stimmigkeit der realen Einzelmaßnahme hinsichtlich Begründung und Wirkung macht die abgehobenen Anforderungen plausibel. Dieser Zusammenhang erscheint mir auch bei Roscher u, a. nicht hinreichend geklärt.

Ein wesentliches Problem - Meyer-Denkmann hat es als solches ebenfalls angedeutet, jedoch nicht konsequent genug verarbeitet - scheint mir darin zu bestehen, daß die Übersetzung von sozialem Verhalten und Erfahrung in Spielregeln und polyästhetische Abläufe nicht gewährleistet, daß zugleich deren Problematik übertragen und somit bearbeitbar wird. Nur in eingeschränktem Maß und bei bescheidenen Transferhypothesen könnte derartiges funktionieren. Hierzu mögen vielleicht H. Wüthrichs Kommunikationsspiele tauglich sein, die reale Kommunikationssituationen von Jugendlichen mit ihnen analysieren und in Kommunikationsübungen umsetzen, bei denen der Spielverlauf durchaus angemessenes Probehandeln vermitteln könnte.(66)

Es ist mir hier unmöglich, auf die zahlreichen Abstufungen zwischen den Schwerpunkten musikalisches und soziales Lernen bei einzelnen Autoren und den oft widersprüchlichen oder kontroversen Detailpositionen einzugehen. Als wichtigste Originalautoren sind meiner Ansicht nach Friedemann, Roscher und Meyer-Denkmann anzusehen. Friedemann scheint eine eher pragmatische Form der improvisierten Spielmusik zu verfolgen, Roscher bezieht sich stark auf neomarxistische kulturkritische Positionen (Marcuse u. a.), Meyer-Denkmann versucht(e) konkreter als alle anderen, aus Strukturen und Praktiken neuer Musik Spielmodelle abzuleiten, geht aber auch auf die von der Curriculum-Reform in Gang gesetzten pädagogischen Leitvorstellungen der frühen 70er Jahre ein.

Die enorme Breite und der geäußerte hohe Anspruch improvisationspädagogischer Literatur (die hier nur knapp angerissen werden konnte) produziert notwendig Kritik. Sowohl die Gruppenimprovisation professioneller Musiker bleibt nicht unwidersprochen (Koerppen, Kolleritsch, Eloy),(67) auch die der Amateure, Kinder, Schüler und Enthusiasten. Ligeti etwa sehr lakonisch zur pädagogischen Improvisation:

"Ich möchte mich aber davor hüten, gerade diese mit der praktischen Pädagogik zu verbinden, weil das Ergebnis regressiv und infantil wäre.... Eine Applikation auf dem Niveau des Elementarunterrichts oder der Mittelstufe würde die Situation vollkommen falsifizieren und statt einer musikalischen Mittelstufe einen Kindergarten etablieren".(68)

In dieselbe Kerbe, jedoch aus einer anderen Richtung, schlägt Elly Băsić, die sich 1973 fragt, was man mit Klangstäben oder einigen vorgegebenen Tönen denn anfangen könne:

"Es war mir nie klar, was da ‚geschehen‘ könnte. Wenn das der direkte Weg zur Musik des klassischen europäischen Ausdrucks sein soll, dann haben wir dem Kind den Weg zur gesamten schöpferischen aufwieglerischen Musik versperrt, mit der uns die Kunst von Haydn bis zur Atonalität so reichlich bedacht hat. Und nebenbei haben wir ihm den Weg zur Entwicklung der eigenen schöpferischen Persönlichkeit verschlossen. Wenn aber die Improvisation der direkte Weg zur Neuen Musik, zum zeitgemäßen Ausdruck sein soll, dann haben wir das Kind von allem entfremdet, was vor der Neuen Musik geschaffen worden ist."(69)

Es gibt viele Möglichkeiten und Vorschläge, Improvisationsübungen nach Intention, Aufgaben, Inhalten, Wirkungen u. a. m. zu klassifizieren. Ich möchte darauf nicht näher eingehen und hier nur kurz die grobe Einteilung von Băsić benutzen. Sie unterscheidet zwischen Improvisation mit sozialen Funktionen und solcher, die einem spontanen Bedürfnis der Beteiligten zum Musikmachen entspringt. Die letztere Art bestimmt volksmusikalische Improvisationspraktiken, die des Jazz und auch der Avantgarde-Musiker (auf merkwürdige Parallelen mit der Folklorepraxis hat Eloy hingewiesen), wohl nicht aber die schulmusikalische Improvisation mit den aus dem Material- und Verfahrensrepertoire der Neuen Musik reduzierten Mitteln. Diese fungiert erzieherisch, therapeutisch, als Anforderung von außen, selbst wenn sie als musikalischer Lernprozeß angelegt wird. Mir scheint hierbei deutlich, daß die musikalische Erfindung von Kindern, ihr "Konzept" von Musik, ihre musikbezogenen Wünsche und meist auch deren Motive ziemlich radikal abgeschnitten werden. Und fraglich ist es, ob die Verknüpfung von musikalischen mit gruppendynamischen oder sozialen Erfahrungen ausreicht, Aktionen zu stimulieren, die von starken Motiven der Kinder getragen werden. Selbst spieltheoretisch findet dieses Dilemma keine Auflösung, denn auch beim Spielen sind verarbeitete Erfahrungen, aus denen Spielwünsche entstehen, wichtig für das Probehandeln mit ungewohnten, von den verfügbaren Möglichkeiten her noch nicht real bearbeitbaren Situationen und Vorhaben. Dies kann bei Improvisationen mit Strukturen und Praktiken der Neuen Musik vor allem dann nicht funktionieren, wenn spontanes Musikmachen angestrebt wird. Im Bereich der sozial-funktionellen Improvisation wären u. U. vernünftige Lernprozesse vorstellbar, allerdings nur unter ziemlich radikaler Einschränkung der euphorischen Wirkungshypothesen.

Die Erfahrung vieler Lehrer, die - obwohl von der Sache der Neuen Musik begeistert - relativ wenig erwärmte Schülerreaktionen bemerken, spricht für diese Einschätzung. Meist sind halt Lehrer freudiger bei dieser Art Schulmusik dabei, als die Schüler selbst. "Ihren Ohren klingt als primitive Vormusik, was anderen gerade als Emanzipation der Musik erscheint", stellt Kohlmann 1978 fest.(70) Auf den Hochschulen passiert möglicherweise etwas Ähnliches. Auch hier hat man den Eindruck, als seien Gruppenimprovisationskurse vor allem vom Enthusiasmus der Hochschullehrer getragen. Daß in den frühen 70er Jahren hie und da studentische Improvisations-Kollektive entstanden, konnte zeitbedingt als Alternative verstanden werden. Offenbar ist es heute keine mehr. Heute lassen sich dagegen vielfältige musikpraktische Aktivitäten von Jugendlichen und auch Musikstudenten beobachten, die, mit mehr oder weniger starken improvisatorischen Anteilen und in Abkehr vom tradierten akademischen Musikverständnis, Modelle für eigenes Musikmachen aus den Bereichen Rockmusik, politisches Lied, demokratisches Volkslied, Folklore u. a. ableiten. Dabei liegt das Selbstverständnis dieser Musikpraxis meist durchaus quer zum kommerziellen Angebot populärer Musik. Von den meisten Ausbildungsinstituten wird dieser Ansatz heute noch nicht begriffen, geschweige denn in die Ausbildungsarbeit einbezogen.

Ein letzter Aspekt in der Entwicklung musikpädagogischer Improvisation findet sich u. a. bei W. Keller 1975, ansatzweise auch bei Meyer-Denkmann und neuerdings entschieden gefordert von W. Klüppelholz: ohne auf bestimmte musikalische Leitstile sich zu beziehen, bzw. (so Keller) explizit unabhängig "von den Gesetzen und Normen einer elitären Musikkultur", soll das musikalische Erfahrungspotential einer konkreten Gruppe als Improvisationsbasis als Ausgangspunkt von improvisiertem Musikmachen dienen.(71) Obwohl einleuchtende Ausarbeitungen noch zu fehlen scheinen, macht diese Wendung deutlich, daß an der musikbezogenen Sozialisation der Kinder und Jugendlichen nicht vorbeigegangen werden kann und die Vorstellung eines ungehemmten Umgangs mit unverbrauchten musikalischen Ideen und Materialien Neuer Musik in der Regel eine unrealistische Einschätzung der konkreten Situation darzustellen scheint.

Diese Tendenz weist vielleicht in die heute richtige Richtung. In ihr wird das Prinzip des schüler- und handlungsorientierten Unterrichts angedeutet, das die Geschichte der musikpädagogischen Improvisation von Anfang an begleitet hat, und das ich einer demokratischen Kultur für angemessen halte. Es erstaunt nicht, wenn das historische Aufleben des Improvisationsgedankens im Zusammenhang mit demokratischen Tendenzen in der Gesellschaft beobachtbar wurde. Mit aller gebotenen Unsicherheit möchte ich abschließend einige mir jetzt plausibel erscheinende Handlungsperspektiven für den Schulmusiker andeuten.

1. Das Akzeptieren der musikbezogenen Sozialisation und der konkreten Umwelterfahrung von Kindern und Jugendlichen, das Aufgreifen und Respektieren der dabei entstandenen musikalischen Konzepte, Motive, Wünsche und Realisationsabsichten muß an erster Stelle stehen. Die Geschichte zeigt, daß erfindendes Ausdruckspotential fast durchweg von Sozialisation und Umwelterfahrung mit Nachdruck ferngehalten wurde.(72)

2. Musikmachen muß als Erfahrungsbereich allen Schülern vermittelt werden, es erscheint mir als d i e spezifische Qualität von Musikunterricht in der Schule.

3. Improvisation und Massenmusik müssen dabei eine produktive Verbindung eingehen, was "schlechte" und was "dumme" Musik ist (Eisler) sollte jedoch klar werden.(73) Für Improvisation spricht die Tradition der Volksmusik (und auch der Kunstmusik), für Massenmusik die Tatsache, daß sie in der Erfahrung der meisten Schüler dominiert. Den Vorwurf, daß die Gefahr einer affirmativen Reproduktion von Normen und Klischees übermächtig wird, kann ich nicht teilen. Improvisation bedarf der Erfahrungen, die Benutzung von Erfahrenem hat etwas von der Reaktivierung schöner Erinnerungen (oder unangenehmer), ihre Aktualisierung bedeutet Neubestimmung, produktive Auseinandersetzung in neuen Situationen (die Unterstellung des Aneinanderreihens von Stereotypen scheint mir oberflächlich, da sie die Qualität dieses Verarbeitens völlig verkennt).(74)

4. Eine Auseinandersetzung mit kollektiven und individuellen Traditionen ist wichtig, da sie ohnehin nicht per Erziehungsmaßnahme außer Kraft gesetzt werden können und die Basis einer potentiellen Musik darstellen. Für die Inhalte des Musikunterrichts bedeutet dies: Improvisation nicht als Nebensache und nicht als Zentrum, dasselbe gilt für Kunst- wie für Massenmusik, für die Reproduktion von Musik wie für das Musikhören.

5. Die Warnung vor allzu euphorischen Wirkungshypothesen erscheint notwendig, da deren historisch beobachtbare Rigidität häufig schlimme Folgen hatte.

Das Aushalten von Widersprüchen könnte weiterführen.


1 Es wurde fast durchweg auf Primärquellen zurückgegriffen. Quellenhinweise finden sich in den Anmerkungen, die Zitatstellen sind dort meist abschnittsweise zusammengefaßt ausgewiesen. Beim erneuten Zitieren eines Werkes - z. B. xy, a. a. 0. (z), S. X. - verweist " z" auf diejenige Anmerkung, in der der vollständige Titel des zitierten Werkes von Autor xy genannt wird. Auf einige Arbeiten, die auf Improvisation in der historischen Musikpädagogik eingehen, sei hingewiesen:

G. Noll, Zur didaktischen Position der musikalischen Improvisation - heute, in: Forschung in der Musikerziehung 5-6/1971 / G. Schünemann, Geschichte der deutschen Schulmusik, Leipzig: Kistner & Siegel 1928 / D. Stoverock, Die Erfindungsübung als organischer Bestandteil des Schulmusikunterrichts, Lahr: Schauenburg 1930.

2 H. G. Nägeli, Die Pestalozzische Gesangbildungslehre nach Pfeiffers Erfindung kunstwissenschaftlich dargestellt im Namen Pestalozzis, Pfeiffers und ihrer Freunde, Zürich: Nägeli (1809), S. 53f. J. Goebbels, in: W. Kühn, Führung zur Musik, Lahr- Schauenburg 1939, S. 7 E. Preussner, Allgemeine Pädagogik und Musikpädagogik, Leipzig: Quelle & Meyer 1929, S. 9 / E. Karkoschka, Komposition - Improvisation, in- W. Stumme (Hg.), über Improvisation, Mainz: Schott 1973, S. 101.

3 Nägeli, a. a. 0. (2), S. 1, 55.

4 J. J. Rousseau, Emile oder Über die Erziehung, Stuttgart: Reclam (1963), S. 323 (Originalausgabe 1762) / (Pfarrer Maier?), Versuch einer elementari sehen Gesanglehre für Volksschulen, Rotweil: Schulbuchhandlung (1810), S. IX, 32, 48 u. a. / Horstig, Laßt den Musikus doch selbst sprechen! , in: Allg. Musikal. Zeitung, 1801, S. 648.

5 T. Abs, Darstellung meiner Anwendung der Pestalozzischen Bildungsmethode, Halberstadt: Büreau für Literatur und Kunst 1811, S. 78, 85 / Nägeli, a. a. 0. (2), S. 48.

6 W. Lange (Hg.), Ideen Friedrich Fröbels über Die Menschenerziehung (Nachdr. d. Ausg. 1863), Osnabrück- Biblio 1966, S. 227, 232 (Original ca. 1826).

7 J. W. Goethe, Sämtliche Werke Bd. 8, Zürich/München: Artemis/dtv 1977, S. 335ff. (um 1821 beendet).

8 T. Hagen, Civilisation und Musik, Leipzig: Jurany 1846, S. 27, 20f. , 23.

9 Zit. nach T. Dietrich, Geschichte der Pädagogik. 18. -20. Jh. , Bad Heilbrunn: Klinkhardt 1970, S. 71.

10 E. Nolte, Lehrpläne und Richtlinien für den schulischen Musikunterricht in Deutschland vom Beginn des 19. Jh. bis in die Gegenwart, Mainz: Schott 1975, S. 43, 46.

11 Nolte, a. a. 0. (10), S. 59.

12 Vgl. M. Schipke, Der deutsche Schulgesang, Berlin: Union Dt. Verlagsgesellschaft 1913, S. 246, 249 / J. A. u. J. F. Ranke, Lieder und Spiele für Kleinkinderschulen und Kinderstuben, Gütersloh: Bertelsmann 1879, S. 13 / G. Rolle, in: Heise/Hopf/Segler (Hg.), Quellentexte zur Musikpädagogik, Regensburg: Bosse 1973, S. 161f. u. a.

13 Ranke, a.a.0. (12), S. 1, 30, 32.

14 Vgl. Schipke, a. a. 0. (12), S. 2 51 / Kretzschinar zit. in.- 0. Rierner, Einführung in die Geschichte der Musikerziehung, Wilhelmshaven: Heinrichshofen 1970, S. 98 / M. Ast, Der Schulgesang, Langensalza: Greßler 1914, S. 11 / H. Löbmann, Der Schulgesang, Leipzig: Dürr 19232 (19141), S. 13, 19.

15 Vgl. dazu Dietrich, a. a. 0. (9), S. 183-219. Gleichwohl geschah dies nicht ohne Widersprüche, wenn etwa G. Kerschensteiner, einer der Chefdenker der Arbeitsschule, das Bild des Staatsbürgers so umreißt: Der Wert der Schulerziehung für die Masse beruhe weniger auf "der Ausbildung des Gedankenkreises als vielmehr auf der konsequenten Erziehung zu fleißiger, gewissenhafter, sauberer Arbeit, in der stetigen Gewöhnung zu unbedingtem Gehorsam und treuer Pflichterfüllung und in der autoritativen, unablässigen Anleitung zum Ausüben der Dienstgefälligkeit", was zur Erkenntnis führen sollte, daß die "überwiegende Masse der Menschen freiwillig ... der Minderzahl der Begabten einen wesentlich größeren Anteil der Regierung des Staates einräumt" (G. Kerschensteiner, Staatsbürgerliche Erziehung der deutschen Jugend, Erfurt: Villaret 1901). Ellen Key dagegen: "Das eigene Wesen des Kindes zu unterdrücken und es mit dem anderer zu überfüllen, ist noch immer das pädagogische Verbrechen" (Dietrich, a.a.0. (9), S. 185).

16 Noch 1914 hatte M. Ast formuliert: "Die produktive Betätigung bleibe den geborenen Musiker- und Künstlernaturen überlassen; die Entwicklung einer derartigen Anlage ist nicht Aufgabe der Schule" (Ast, a. a. 0. (14), S. 16). Übrigens eine ähnliche Argumentation wie bei A. Wendt, der 1811 in der AMZ, S. 337 davor warnt, daß jeder "zur Productivität in der Kunst" erhoben werden solle, und dabei sich offenbar gegen die von Rousseau, Horstig u. a. vertretene Musikerziehung mit eigenschöpferischen Anteilen wendet.

17 Preussner, a. a. 0. (2), S. 9.

18 U. Günther, Die Schulmusikerziehung von der Kestenberg-Reform bis ‚ zum Ende des Dritten Reichs, Neuwied: Luchterhand 1967 / M. Härting, Fritz Jödes "Weg in die Musik", in: R. Stephan (Hg.), Über Musik und Politik, Mainz: Schott 1971 / J. Hodek, Musikalisch-pädagogische Bewegung zwischen Demo kratie und Faschismus. Zur Konkretisierung der Faschismus-Kritik Th. W. Adornos, Weinheim: Beltz 1977 / G. Trautner, Die Musikerziehung bei Fritz Jöde, Wolfenbüttel: Möseler 1968.

19 F. Jöde, Musik und Erziehung, Wolfenbüttel: Zwissler 19242 (19191), S. 19, 24 / W. Kühn, Schulmusik, Leipzig: Breitkopf & Härtel 1923, S. V / L. Kestenberg, Musikerziehung und Musikpflege, Leipzig: Quelle & Meyer 1921, S. 3.

20 E. Rabsch, Gedanken über Musikerziehung, Leipzig: Quelle & Meyer 1925, S. 2.

21 Kestenberg, a.a.0. (19), S. 4.

22 Jöde, a. a. 0. (19), S. 18 / M. Preitz, Arbeitsunterricht in der Musik, in: F. A. Jungbluth (Hg.), Handbuch des Arbeitsunterrichts für höhere Schulen, H. 5, Frankfurt: Diesterweg 1925, S. 3 / H. Schulte, Das musikalische Schaffen des Kindes, Leipzig: Leuckart 1926, S. 27 / G. F. Wehle, Die Kunst der Improvisation (l. Teil op. 2 la), Münster: Bisping 19283 (19251), S.XVIII.

23 F. Vogt, Schöpferischer Gesangsunterricht, Osterwieck: Zickfeldt 1926, S. 1.

24 Preussner, a.a.0. (2), S. 9, 28.

25 Vgl. T. W. Adorno, Dissonanzen, Göttingen: Vandenhoek & Ruprecht 1956 / H. Eisler, Musik und Politik. Schriften 1. 1924-1948, München: Rogner & Bernhard 1973, S. 155.

26 Abdruck in: G. Braun, Die Schulrnusikerziehung in Preußen, Kassel: Bärenreiter 1957, S. 127.

27 F. Reuter, Musikpädagogik in Grundzügen, Leipzig. Quelle & Meyer 1926, S. 55-60.

28 0. Roy, Neue Musik im Unterricht, Lahr: Schauenburg 1932, S. 17-19, 36 / D. Stoberock, a. a. 0. (1), S. 68f. / K. Roeseling, Die Musikerziehung in der Volksschule, in: E. Bücken (I-Ig.), Handbuch der Musikerziehung, Potsdam: Athenaion 1931, S. 182.

29 Stoverock, a.a.0. (1), S. 69.

30 Stoverock, a.a.0. (1), S. 69f.

31 0. Gombosi, Kinderkompositionen und Anfangsunterricht, in: Die Musikpflege 1/1930-31, S. 200.

32 B. Esser u. a., Handbuch der Didaktik und Methodik des Musikunterrichts in der Oberschule, Arnsberg: Stahl 1927, S. 15, 117.

33 H. Pfitzner, Über Kunstpflege und Jugend, in- Zentralinstitut für Erziehung und Unterricht in Berlin (Hg.), Schulmusikalische Zeitdokumente. Vorträge der VIL Reichs-Schulmusikwoche in München, Leipzig: Quelle & Meyer 1929, S. 72-75.

34 Zit. in: P. Raabe, Die Musik im Dritten Reich, Regensburg: Bosse 1935, S. 42 / vgl. dazu auch Günther, a. a. 0. (18), S. 54 (Zitat von Stumme).

35 R. Wicke, Erlebnis und Arbeit im Musikünterricht, in: Zentralinstitut f. Erziehung u. Unterricht in Berlin (Hg.), Musikpädagogische Gegenwartsfragen. Vorträge der 6. Reichs-Schulmusikwoche in Dresden, Leipzig: Quelle & Meyer 1928, S. 31.

36 H. Fischer (Hg.), Wege zur deutschen Musik, Berlin-Lichterfelde: Vieweg 1941, S. 11.

37 Raabe, a.a.0. (34), S. 42.

38 Vgl. insbes. die versch. Beiträge in der Zeitschrift für Musik, Jg. 1933, S. 571-594 / vgl. auch d. Arbeiten von Günther, Hodek, Trautner (alle 18).

39 Günther, a.a.0. (18), S. 54.

40 L. Deutsch, Individualpsychologie im Musikunterricht und in der Musikerziehung, Leipzig: Steingräber 1931, S. 143, 164 / P. Raabe, Kulturwille im deutschen Musikleben, Regensburg: Bosse (1936), S. 22.

41 W. Diekermann, Musikerziehung in der Volksschule, in: Völk. Musikerziehung 1/1934-35, S. 392 / H. Lorenzen, Versuch einer Melodiebildung, in: Völk. Musikerziehung 1/1934-35, S.- 730f. / W. Rein, Musiklehre für Laien, in: S. Goslich (Hg.), Musikalische Volksbildung, Hamburg: Hanseat. Verlagsanstalt (ca. 1942), S. 39 / D. Stoverock, Musikunterricht im Anfang, in: Völk. Musikerziehung VIII/1942, S. 37f. / W. Twittenhoff, Grundsätze rhythmischer Unterweisung, in: Völk. Musikerziehung IV/1938, S. 552.

42 W. Diekermann, Musikbflege in der völkischen Schule, Leipzig: Klinkhardt 1936, S. 38f.

43 W. Ehmann, Erbe und Auftrag musikalischer Erneuerung, Kassel: Bärenreiter 1950, S. 42f. , 117.

44 T. Pfisterer, Die Möglichkeit der musikalisch-rhythmischen Erziehung im Schulunterricht, Zilrich: Sämann (1953), S. 5-7.

45 H. Teuscher, Lebensvoller Musikunterricht, Bad Heilbrunn: Klinkhardt 1953 / E. Kraus, R. Schoch (Hg.), Der Musikunterricht. Beiträge zu einer neuen Methodik. Heft 1: Die Improvisation im Musikunterricht, Wolfenbüttel: Möseler 1954, S. 3.

46 H. Otto, Volksgesang und Volksschule. Eine Didaktik. 1. Bd.: Grundbesinnung, Celle: Moeck 1957, S. 95.

47 C. Bresgen, Volkslied oder Schlager?, in: Fischer, a.a.0. (36), S. 110 / C. Hanneniann, Das Singen - ein Anfang allen Musizierens, in: Goslich a. a. 0. (41), S. 48 / vgl. dazu, auch N. Knolle, Populäre Musik in Freizeit und Schule. Eine textkritische Untersuchung der musikpädagogischen Literatur seit 1945. Diss. phil. Univ. Oldenburg 1979.

48 W. Friedrich, Improvisation in der Grundschule, in: Fischer (Hg.), Musikerziehung in der Grundschule, Berlin-Zehlendorf: Rembrandt 1958, S. 347.

49 H. Berekoven, Musikerziehung, Düsseldorf: Schwann 1950, S. 27 / E. Kraus, a.a.0. (45), S. 3 / K. Sydow, Wege elementarer Musikerziehung, Kassel: Bärenreiter 1955, S. 3, 44ff.

50 Vgl. u. a. B. Scheidler, Musikerziehung in der Volksschule. 2. Bd. Aus der praktischen Schularbeit, München: Kösel 1957 / E. Wilke, Entwicklungsgemäße Musikarbeit in der Volksschule, Hannover: Zickfeldt 1957 / R. Schoch, Musikerziehung durch die Schule, Luzern: Räber 19582.

51 F. Jöde, Das schaffende Kind in der Musik, Wolfenbüttel: Kallmeyer 1928 S. 10f. / Preussner, a. a. 0. (2), S. 28.

52 Auch in der DDR gab es eine Restauration der Weimarer Musikpädagogik, sogar einige Dissertationen widmeten sich dem Problem Improvisation (Kemlein 1956, Kleinig 1956, Schramowski 1962). In den Ideen der Weimarer Zeit sah man eine "kraftvolle geistige Gegenströmung" gegen die "blutleer-vergeistigte Musik" der Avantgarde der 20er Jahre, die Improvisationskräfte im Volk könnten durchaus "eine echte Begegnung zwischen Volksmusik und Kunstrnusik" anbahnen (M. Kemlein, Die musikalische Improvisation in ihren gegenwärtigen Erscheinungsformen und als Mittel der Schulmusikerziehung, Diss. H. U. Berlin 1956, S. 17, 71). "Das Abstandsgefühl, die Ehrfurcht vor dem Kunstwerk,die durch den Vergleich der eigenschöpferischen Ergebnisse mit dem Kunstwerk intensiver empfunden wird, bildete ein wichtiges Lernziel (Kemlein, a. a. 0. S. 87 / A. Stier, Methodik der Musikerziehung, Leipzig: VEB Breitkopf & Härtel 1958, S. 80). DDR-Charakteristika zeigten sich - und dies ganz selten in speziellen programmatischen Improvisationsthemen (K. Kleinig, Möglichkeiten der Improvisation, in: Dt. Päd. Zentralinst. , Musik-Unterricht. Methodisches Handbuch für den Lehrer, Berlin: VEB Volk und Wissen 1961, S. 31f. "Auf den Straßen des Friedens" oder in Melodieerfindungen nach Becher-Texten) oder in vagen Hinweisen auf den "Wert der Kollektivarbeit" beim Improvisieren (Kleinig, a. a. 0. , S. 33). Die Tradition der Improvisation im Jazz wurde durchaus nicht pauschal abgelehnt, sondern als Anregung empfohlen (Kemlein, a. a. 0. , S. 49f. / H. Schramowski, Zur Psychologie des instrumental- improvisatorischen Schaffens, Diss. phil. Leipzig 1961, S. 25 / H. Böhm, Probleme der Improvisation, in: Musik u. Gesellschaft 1965, S. 757). Nach der Mitte der 60er Jahre scheint indessen die Improvisation in den Schulmusikkonzepten zu verschwinden, obwohl Kleinig sie 1961 noch als "ein wichtiges Mittel der Erziehung zum sozialistischen Menschen" gerühmt hatte (Kleinig, a. a. 0. , S. 33).

53 L. Friedemann, Begegnungen-Wirkungen, in: E. Bitterhof (Hg.), Georg Götsch. Lebenszeichen. Zeugnisse eines Weges, Wolfenbüttel: Möseler 1969, S. 309.

54 L. Friedemann, Gemeinsame Improvisation auf Instrumenten, Kassel: Bären reiter 19742 (19641), S. 11, 3, 5.

55 M. Alt, Didaktik der Musik. Orientierung am Kunstwerk, Düsseldorf: Schwann 1968, S. 62f. / H. Antholz, Unterricht in Musik, Düsseldorf: Schwanii 1970, S. 157ff. / S. Vogelsänger, Musik als Unterrichtsgegenstand, Mainz: Schott 1970, S. 90, 118, 173f.

56 L. Friedemann, Kollektivimprovisation als Studium und Gestaltung neuer Musik, Wien: UE 1969, S, 30 / G. Meyer-Denkrnann, Suche nach einer neuen pädagogischen Musik, in: NMZ 1/1970, S. 21 / R. Hagen, Avantgarde - von Kindern gespielt, in: NMZ 4/1970, S. 19 / W. Roscher, Improvisationspädagogik und Wertproblematik, in: W. Krützfeld (Hg.), Die Wertproblematik in der Musikdidaktik, Ratingen: Henn 1973, S. 167.

57 Friedernann, a.a.0. (56), S. 5, 7.

58 H.-A. Heindrichs, Die Musik der Gegenwart als neues Studienfeld, in: E. Kraus (Hg.), Bildungsziele und Bildungsinhalte des Fachs Musik, Mainz: Schott 1970, S. 275.

59 L. Friedemann, Einstiege in neue Klangbereiche durch Gruppenimprovisation, Wien: UE 1973, S, 15 / Roscher, a.a.0. (56), S. 167.

60 P. Koch, Zur Situation des schulischen Musizierens, in: Schott-Jugend-Musik. Mitteilungen des Verlags, Nr. 48 Juni 197 6, Mainz: Schott 197 6, S. 6 / vgl. auch W. Kohlmann, Projekte im Musikunterricht, Weinheim: Beltz 1978, S. 19 / M. Prével, Helping children to build their own music, in: F. Callaway (Hg.), Challenges in Musie Education, Perth: Univ. of Western Australia 1976, S. 91 / W. Wittich, Zur Didaktik der freien Improvisation, in: Musik u. Bildung 5/1973, S. 242f.

61 P. Hoch, Die experimentelle Erfahrung als notwendiges Mittel einer Neuen Musik für Kinder, in: Musik u. Bildung 9/1978, S. 556.

62 Hoch, a.a.0. (61), S. 559 / G. Meyer-Denkmann, Struktur und Praxis neuer Musik im Unterricht, Wien: UE 1972, S. 12 / W. Keller, Elementares Gruppenmusizieren, in: E. Valentin, H. Hopf (Hg.), Neues Handbuch der Schulmusik, Regensburg: Bosse 1975, S. 308 / B. Gabler, Gruppenimprovisation als Methode der Interaktionspädagogik, in: J. Fritz u. a. , Interaktionspädagogik. Methoden und Modelle, München: Juventa 1975, S. 67 / Meyer-Denkmann, a. a. 0. (62), S. 19 / Karkoschka, a. a. 0. (2), S. 10 1.

63 L. Friedemann, Kinder spielen mit Klängen und Tönen, Wolfenbüttel: Möseler 1971, S. 3f. / W, Stumme, a. a. 0. (2), S. 81 / K. Finkel- U. Wünnenberg, Reflexion - Improvisation - Notation. Ein Weg zur musikalischen Struktur, in: Musik u. Bildung 10/1976, S. 508 / F. Förstel, Improvisation im Klassenunterricht, in: F. Benediet u. a. (Hg.), Musikerziehung I. Neue Wege der Schulmusikerziehung, Wien: Österr. Bundesverlag 1976, S. 31 / Meyer-Denkmann, a. a. 0. (62), S. 18.

64 G. Kirchner, Versuch, Schulmusik richtig zu programmieren, in: Kraus, a. a. 0. (58), S. 220 / Meyer-Denkmann, a. a. 0. (62), S. 68, 20, 69.

65 W. Roscher, Ästhetische Erziehung - Improvisation - Musiktheater, Hannover: Schroedel 1970, S. 22, 21, 69.

66 H. Wüthrich, Kommunikationsspiele, Zürich: Hug 1975.

67 A. Koerppen, Improvisation und Komposition, in: Stumme, a. a. 0. (2) / 0. Kolleritsch, Neue Musik und Improvisation, in: Jazzforschung 3-4, Wien: UE 1973, S. 174-178 / J. -C. Eloy, Improvisation: Zuflucht, Utopie oder Notwendigkeit?, in: World of Musie 3/1970, S. 6-20.

68 Zit. in C. Bresgen, Musik-Erziehung? Ein kritisches Protokoll, Wilhelmsha ven: Heinrichshofen 1975, S. 41.

69 E. Băsić, Improvisation als schöpferische Mitteilung, in: Stumme, a. a. 0. (2), S. 48.

70 Kohlmann, a. a. 0. (60), S. 19.

71 Keller, a. a. 0. (62), S. 299 / W. Klüppelholz, Zu einigen Voraussetzungen von Gruppen-Improvisation, in: Musik und Kommunikation 1/1978, S. 15-19.

72 Eindrucksvolle Beispiele für die Aktualität des Problems zeigt das Buch P. Schleuning (Hg.), Kinderlieder selber machen, Reinbek. Rowohlt 1978.

73 H. Eisler, Über die Dummheit in der Musik (1958), in: H. Eisler, Materialien zu einer Dialektik der Musik, Leipzig: Reclam 1973, S. 267-281.

74 Vgl. zu diesem Problem das leider unveröffentlichte Ms. von Volker Schütz, Improvisation mit popmusikalischem Material, Hochschule Lüneburg, 1978.