Fred Ritzel

Über die (vielleicht) populärste Melodie einer Komponistin im 20. Jahrhundert
Eine schöne musikalische Erinnerung aus den 1950er Jahren


Vermutlich das erste Mal hörte ich diesen schönen langsamen Walzer in den 1950er Jahren in der Tanzstunde, gespielt von dem unsäglichen Orchester Mantovani mit seinem üppigen Geigensound, den sogenannten "Cascading Strings". Und kurz darauf begegnete mir die Melodie auch in den mir sehr viel wichtigeren Gefilden des Jazz, etwa in den Versionen von George Shearing, von Erroll Garner, von Louis Armstrong (in einer 4/4-Fassung) und vielen weiteren. Sicherlich galten diese Versionen für mich nicht als besonders bedeutsame Jazz-Titel, doch die Melodie war mir von da an geläufig und sie gefiel mir sehr: "Ramona".
Noch hatte ich den Namen des Komponisten nicht realisiert. Das geschah erst viel später, irgendwann in den 1970er oder 1980er Jahren beim Durchblättern eines Notenbandes von George Shearing (George Shearing: A Book of 'Shearing Magic' No. 2, London o.J., S.12-13).  Immerhin zählt der Song zum Kanon der amerikanischen populären Musik des 20. Jahrhunderts, zu den Evergreens, wie sie Gershwin, Cole Porter, Irving Berlin und andere große Namen des Great American Songbook zur unterhaltenden Musikszene beigesteuert haben.      
Und eine gewisse Überraschung stellte sich ein: der Komponist entpuppte sich als eine Komponistin namens Mabel Wayne. Kann es sein, dass ihr Lied als die vielleicht bekannteste, populärste Weise einer Komponistin im 20. Jahrhundert anzusehen ist? Eine, die sich zweifellos im kollektiven massenmedialen Gedächtnis  eingeschrieben hatte, sicherlich ohne Konkurrenz durch Arbeiten von Komponistinnen aus dem Lager der Kunstmusik?
Im Folgenden werde ich versuchen, die Popularität dieser Melodie durch Hinweise auf ihre vielfältigen Verwendungen in unterschiedlichen medialen Zusammenhängen - die sich noch ohne Probleme erweitern ließen - plausibel zu machen.

Wer war die Komponistin?
Am 16. Juni 1904 kam Mabel Wayne auf die Welt, und zwar in Brooklyn, New York. Sie studierte Gesang und Klavier, zunächst privat in der Schweiz, dann an der New York School of Music. Als klassische Sängerin und Pianistin startete sie ihre berufliche Karriere, wechselte aber bald in die Unterhaltungsmusikszene - als Sängerin, als Pianistin und auch als Tänzerin in Vaudeville-Produktionen (ASCAP Biographical Dictionary, 4th ed., New York 1980, S.531).
Recht bald erregte sie Aufmerksamkeit in der Tin Pan Alley als Songschreiberin, die 1925 als erste Komponistin einen Hit veröffentlichen konnte: "Don't wake me up, let me dream". Immerhin für eine 21-jährige junge Frau im damals international bereits entfalteten amerikanischen Musikgeschäft ein beachtlicher Erfolg (http://www.songwritershalloffame.org/exhibits/bio/C312 ).  
Eine Zeitung damals beschrieb sie als rothaariges Mädchen aus Brooklyn, das "spanische Lieder" verfertigte (IMDB http://www.imdb.com/name/nm0915600/ ; bei Sigmund Spaeth: A History of Popular Music in America, New York: Random House 1948, S.454, wird sie als "a blonde girl" beschrieben.).  Und dies kam nicht von ungefähr, hatte sie doch 1926 einen weiteren, noch größeren Verkaufserfolg mit "In a little spanish town", vom Paul Whiteman-Orchester aus der Taufe gehoben und bis heute in zahlreichen Versionen von vielen Interpreten zu hören (im Bremer Klaus Kuhnke Archiv für Populäre Musik finden sich allein von diesem Titel 23 Aufnahmen von  vielen Größen des Jazz- und Popsektors, u.a. von Lester Young, Oscar Peterson, Dean Martin über Kurt Edelhagen zu Bill Haley and his Comets. Der Titel wurde auch in anderen Ländern veröffentlicht: Pour Une Chanson d'Amour, Wie damals in Paris, En Un Pueblecito, Un Angolo Di Spagna. Eine Liste von Mabel Waynes Songs findet sich auf der Webseite der Songwriters Hall of Fame: http://songwritershalloffame.org/index.php/songs/detailed/C312/P0/ ).   Zu ihrem "spanischen" Repertoire gehörten: "Chiquita", "Little spanish dancer", "In a little town across the border", "Valparaiso" u.v.a.
1927 schrieb sie "Ramona" als Titel-Lied des Films RAMONA (1928) für Dolores del Rio (der Hauptdarstellerin), das sich schnell zu einem Nr.1-Hit entwickelte (später dazu mehr) (vgl. David A. Jasen: Tin Pan Alley: an enyclopedia of the golden age of American Song, London/New York Routledge 2003, S. 414).  
Mabel Wayne scheint die modernen Produktionsweisen für Popmusik, die damals in erster Linie ihr Geld über den Verkauf von sheet-music, von Noten einbrachte, sehr energisch verfolgt zu haben, denn gerade der Einsatz in Filmen  brachte die effektivste Werbung für den privaten und kommerziellen Notenkonsum. Paul Whiteman, der in den 1920er Jahren sogenannte "King of Jazz", fand an ihrer Arbeit offenbar großen Gefallen. Nicht nur, dass er einige Hits von ihr aufnahm, auch in seinem ersten Tonfilm, "KING OF JAZZ" (1930), spielte sein Orchester drei neue Titel von Mabel Wayne, darunter als Hauptlied "It happened in Monterey", später in vielen Coverversionen aufgenommen, am bekanntesten vielleicht von Frank Sinatra (vgl. diverse Videoclips mit Frank Sinatra in YouTube, z.B.: http://www.youtube.com/watch?v=2fIEg4DlJDc  "It Happened in Monterey" fand auch in weiteren Filmen Verwendung, etwa in "STRICTLY DISHONORABLE" (1931), in "IN OLD MONTEREY" (1939) oder in  "THE DEVIL'S ADVOCATE" (1997).).  Und es folgten weitere Filme mit Songs von Mabel Wayne, zuletzt ihr Lied "A dreamer's holiday" in "FUR: AN IMAGINARY PORTRAIT OF DIANE ARBUS" (2006) (Das Auftreten von Songs Mabel Waynes in Filmen findet sich in der IMDB:  http://www.imdb.com/name/nm0915600/ ).   
In den 1930er und 1940er Jahren konnte sie mit weiteren Erfolgstiteln aufwarten, in verschiedenen Versionen in den Hitparaden platziert. Und auch in den 1950er Jahren komponierte sie fleißig weiter.
1972 wurde sie geehrt durch die Aufnahme in die 1969 gegründete "Songwriters Hall of Fame", die sich die Sammlung der Arbeiten herausragender Komponisten und Texter populärer Musik zum Ziel gesetzt hat, um ihr Werk und ihren Nachlass für künftige Generationen zu archivieren und zu erschließen. Interessanterweise, aber nicht überraschend, sind in der "Hall of Fame" Frauen noch deutlich in der Minderzahl, ihr Anteil liegt bei etwa 5% der Nominierten.
David Jasen nennt Mabel Wayne "the most successful woman pop songwriter before rock and roll" (Jasen: Tin Pan Alley, S. 414).   Am 19. Juni 1978 verstarb Mabel Wayne in New York.

 Mabel Wayne und L. Wolfe Gilbert mit Dolores del Rio 1927  (http://www.songwritershalloffame.org/photos/C312 )

Zur Geschichte des Lieds
Das vielleicht bekannteste Lied unserer Komponistin Mabel Wayne - Ramona - erschien 1927 und fungierte als Titel-Song in einem frühen Tonfilm namens "RAMONA" (UA 28. März 1928 in Los Angeles und am 14. Mai des gleichen Jahres in New York), gedreht nach einer in den USA damals recht bekannten gleichnamigen und mehrfach verfilmten Novelle von Helen Hunt Jackson (1884) (Dem Film mit Dolores del Rio waren bereits zwei gleichnamige Stummfilme nach Hunts Novelle vorausgegangen (1910, immerhin von D.W. Griffith, und 1916 ein weiterer). Und auch in den nächsten Jahrzehnten kam es immer wieder zu "Ramona"-Filmen.),  einer kritischen Aktivistin und Kämpferin gegen die Indianerpolitik der US-Regierung. Ihre Novelle sollte mit den Mitteln der Belletristik politisch aufrütteln, nachdem ihre Arbeit A Century of Dishonor (1883) bei den Kongressabgeordneten  nicht die erwartete Aufmerksamkeit gefunden hatte - ein interessantes Verfahren im politischen Geschäft.
Mabel Waynes "Ramona" fungierte als Titellied für Dolores del Rio (der Darstellerin der  Halbindianerin Ramona), das mit dem Text von L. Wolfe Gilbert sofort zu einem enormen Erfolg wurde: 17 Wochen in den Charts platziert, davon 8 Wochen als Nr.1, und mit mehr als einer Million Kopien verkauft. Neben der Originalversion mit Dolores del Rio erschienen  bereits 1928 Interpretationen u.a. von Annette Hanshaw, von Paul Whiteman,  vom Deep River Orchestra, von Gene Austin (mit über einer Million Plattenkopien ein sehr großer kommerzieller Erfolg) und Whispering Jack Smith, einem charakteristischen Mikrophonsänger. In Frankreich gab es 1928 eine französische Fassung von Fred Gouin; Carlos Gardel, das argentinische Tango-Idol, spielte das Lied in Paris im Oktober 1928 ein.
In Deutschland erschien gar eine Kurzfilmdokumentation der Tobis von 1928: "DIE KAPELLE ETTÉ SPIELT DEN RAMONA" unter der Regie von Walter Ruttmann (UA 17.01.1929 in Berlin). Viele deutsche Tanzorchester in der Zeit von 1928 bis zum Kriegsanfang produzierten  den Titel auf Schallplatten, in der Oldenburger Universitätsbibliothek IBIT (Sammlung Ahlers)  finden sich allein 10 verschiedene Aufnahmen aus dieser Zeit.
Auch eine Notenausgabe erschien in Deutschland 1928 mit dem gleichen Coverdesign wie in den USA, verlegt von Francis, Day & Hunter, dem "führenden Haus für Internationale Tanzschlager" - so die PR-Fornulierung auf der Rückseite des Covers - in Berlin.

Selbst in Japan brachte es 1936 eine Version von Dick Mine(vo) and his Serenaders zu einem Erfolg. In der Nachkriegszeit lebte das Stück weiter, nicht nur als Langsamer Walzer, auch im 4/4-Metrum und im Latin Style finden sich z.T. sehr erfolgreiche Versionen. Dazu zählen Produktionen von "The Gaylords" (1953), vom Orchester Mantovani (1954) und von der irischen Gruppe The Bachelors (1964).
Besonders erfolgreich erwies sich die Version der holländischen "Blue Diamonds" (1961), für die sich  "Ramona" als der größte Hit ihrer Karriere herausstellte. Ihre Version im Foxtrot-Rhythmus, die in Deutschland die "Goldene Schallplatte" erhielt,  wurde in fünf Sprachen veröffentlicht und international millionenfach verkauft.  
Auch in der Filmgeschichte tauchen immer wieder Songs von Mabel Wayne auf, die mit "Ramona" 1928 ja bereits einen erfolgreichen Filmstart hatte. Im gleichen  Jahr fand "Ramona" Verwendung in dem Vitaphone-Kurzfilm "DICK RICH AND HIS MELODIOUS MONARCHS" (1928). Und auch in den nächsten Filmversionen des Hunt-Stoffes konnte man "Ramona" hören, etwa 1936 in "RAMONA" von Henry King. In den letzten Jahrzehnten  benutzten es Werner Schroeter in "DER TOD DER MARIA MALIBRAN" (1972), Ken Loach in "LAND AND FREEDOM" (1995) und Dominik Moll in "HARRY, UN AMI QUI VOUS VEUT DU BIEN" (2000) (Sämtliche Filmnachweise aus http://www.imdb.com/name/nm0915600/).
Im Bremer Klaus Kuhnke Archiv für Populäre Musik finden sich 35 Aufnahmen dieses Songs, von Kaplan Flury über Helmut Zacharias, Les Brown u.a. bis zu den Blue Diamonds und Cabaret Modern.

Gibt es Argumente für den Erfolg?
Aus welchen Gründen eigentlich eine Melodie, ein Lied zu einem Erfolg wird und sich massenhaft in Gefühle und Erinnerungen eingräbt, erscheint mir nur teilweise einleuchtend erklärbar. Sicher hat die Liebesromanze der kalifornischen Halbindianerin Ramona, wie sie von Helen Hunt Jackson in ihrer Novelle erzählt wurde, für das amerikanische Lesepublikum einen Kontext geschaffen, in dem das Lied eine wichtige Funktion des Erinnerns und Nacherlebens ausübte. Im Laufe der Rezeptionsgeschichte dieses Stoffes beteiligte sich dann zunehmend der Film mit seinen visuellen Konkretionen. Die Musik allein konnte zwar in den USA mit dem vertrauten Kontext der Geschichte wahrgenommen werden, nicht aber in anderen kulturellen Umgebungen - wie etwa in Europa -, für die das Liebeslied nur allgemeine und auf jeden individuellen Kontext passende Wunschvorstellungen aktivieren konnte. Aber dies scheint ohnehin oft eine Eigenschaft erfolgreicher Schlager zu sein, nämlich ihre Geschmeidigkeit im Anpassen an individuelle Gefühlslagen. Vermutlich mag auch Helen Hunt Jacksons Vorgabe ohnehin nicht als wesentlicher Erfolgsgarant gewirkt haben. Zumal spätere Liebhaber von "Ramona", so etwa in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts, den Film nicht mehr kannten und ebenfalls nicht die ihm zugrunde liegende Geschichte.  
Die massenmediale Propaganda für Musikwaren lief auch damals bereits auf vollen Touren, Film- und Schallplattenwerbung, bekannte Stars als Interpreten, sheet-music und viele andere Techniken der Beeinflussung versuchten den dauerhaften Erfolg zu schaffen bzw. von ihm zu profitieren. Aber neben den wirklich großen Hits, zu denen "Ramona" zweifellos zählt, gab es ein gleichermaßen stark beworbenes umfangreiches Musikwarenangebot, aus dem jedoch nur wenige Evergreens überlebten, wenn sie überhaupt einen nennenswerten zeitgenössischen Erfolg erreichten.
Wie steht es mit der musikalischen Erfindung?  Sicherlich kann die Komposition keinen Anspruch auf musikalische Modernität stellen, nicht einmal im Bereich der Popmusik. Ein Langsamer Walzer repräsentierte in den 20er Jahren keinen der aktuellen Tanzstile, unter dem Aspekt der Modetrends wären 1927 andere Tanzstile angesagt gewesen. In die Zeit nach der Weltwirtschaftskrise, also nach Oktober 1929, hätte er sich allerdings - und das hat er wohl auch - sehr gut einpassen können; denn um 1930 dominierten im Repertoire die langsamen Tanzmusiken, die getragenen, melancholieträchtigen Tangos, Slow Foxes, Slow Waltzes u.ä.  
Die syntaktische Gestaltung der Refrain-Melodie - eine symmetrische Periode - erscheint einfach und regelgerecht, zwei 16-Takt-Sätze, harmonisch kaum aufregend (der Vers-Satz davor wirkt etwas origineller mit seiner alterierten und leicht verändert wiederholten II-V-I-Folge).
Ein weiteres Kriterium der musikalischen Struktur könnte vielleicht in den tektonischen Eigenschaften der melodischen Gestaltung gesucht werden, in den klassischen Vordersatz-Nachsatz-Schwüngen der Melodielinie, die die Liebessehnsucht des Textes einfühlsam unterstreichen.
Vermutlich haben die musikalischen Sachverhalte von "Ramona" für die zahllosen Instrumentalversionen, insbesondere aus dem Bereich des Jazz, weniger Grund für eine Auseinandersetzung geboten, als die - und jetzt ganz schlicht - sehr schöne Melodie und ihr großer Bekanntheitsgrad in einer Art Rückkopplungsschleife.
Der Erfolg lässt sich nicht eindeutig "beweisen". Aber die vielfältigen medialen Sachverhalte und das bis in unsere Tage zu beobachtende Interesse von Interpreten und Nutzern zeigen unzweifelhaft: "Ramona" muss als ein großer Erfolg der Komponistin Mabel Wayne eingeschätzt werden, vielleicht als die populärste Melodie einer Komponistin im 20. Jahrhundert.  
Und dann ist es schon recht erstaunlich, wenn einschlägige enzyklopädische Veröffentlichungen den Namen von Mabel Wayne nicht einmal anführen (Neil Butterworth, A Dictionary of American Composers, New York 1984; The New Grove Dictionary of American music, hrsg. von H. Wiley Hitchcock, London u. a. 1986; Women in American Music. A Bibliography of Music and Literature, hrsg. von Adrienne Fried Block und Carol Neuls-Bates, Westport, Conn. u. a. 1979; Phil Hardy und David Laing, The Faber Companion to 20th-Century Popular Music, London/Boston 1990.).
Allerdings muß ich bekennen, dass ich keineswegs eine erschöpfende Recherche in den einschlägigen Nachschlagewerken durchgeführt habe, sondern nur stichprobenartig in einigen  greifbaren Beständen der Universitätsbibliothek Oldenburg nachgesehen habe.

Komponistinnen im frühen amerikanischen Popmusikgeschäft  
Von Anfang an zeigen sich Frauen mit oft äußerst erfolgreichen Arbeiten im Repertoire der amerikanischen Unterhaltungsmusik. Ein merkwürdiger früher Fall allerdings, nämlich das pseudo-indianische Salonstück "Anona", scheint mit einer absichtsvoll falschen Urheber-Zuschreibung 1903 auf den Markt gekommen zu sein. Vivian Grey und Mabel McKinley sollen die Urheberinnen sein, laut Sigmund Spaeth jedoch hat der umtriebige Robert Keiser-King das Stück geschrieben und aus Werbegründen die beiden Frauennamen vorgeschoben. Besonders interessant ist dabei die Benennung von Mabel McKinley, der als "komponierender" Nichte des ermordeten amerikanischen Präsidenten William McKinley damals besondere Aufmerksamkeit zuteil werden konnte. Die beiden Frauen agierten als Interpretinnen des Songs, der in seiner Zeit recht populär wurde und auch auf Wachszylinder und Schallplatte erschien (vgl.  Sigmund Spaeth: A History of Popular Music in America, New York: Random House 1948, S.336).  Keiser-King (1862-1932) schob offenbar noch häufiger Frauennamen als scheinbare Urheber seiner Arbeiten vor, so etwa bei dem sog. Ohio-Lied "Beautiful Ohio" mit der fiktiven Urheberin "Mary Earl", die noch bei weiteren Songs als scheinbare Komponistin firmierte(vgl. Spaeth, a.a.O S.411).
Aber es gab auch echte Komponistinnen in der Frühzeit des amerikanischen Musikgeschäfts. So insbesondere Carrie Jacobs-Bond (1862-1946), die als erste Frau 1 Million Kopien für ihr  "I love you truly" (1901) verkaufen konnte, ein noch heute sehr geschätzter "parlor song" (Salonlied), der in den USA immer wieder bei Hochzeiten eingesetzt und in vielen Filmen zitiert wird (http://www.imdb.com/name/nm0093895/).   Carrie Jacobs-Bond hat noch viele weitere erfolgreiche Songs veröffentlicht, so etwa "A perfect day" (1910), für dessen Anfangsteil er sich bei Joachim Raffs berühmter "Cavatine" bedient hat (vgl. Spaeth, a.a.O S.147; laut Ronald L. Dotterer, Susan Bowers: Politics, gender, and the arts: women, the arts, and society, Selinsgrove, PA 1992, S.199, hat Carrie Jacobs-Bond von "I love you truly" und "A perfect day" im Laufe der Zeit mehr als in 60 Versionen acht  Millionen sheet music-Kopien und fünf Millionen Schallplatten abgesetzt.).  Wie auch Mabel Wayne fand Carrie Jacobs-Bond Aufnahme in die Songwriters Hall of Fame (im Jahr 1970) (Zusammen mit Amy Beach wurde Carrie Jacobs-Bond 1941 von der General Federation of Women's Clubs als einzige Komponistinnen in einer Liste von 53 Frauen aufgeführt, die in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts nach Meinung der General Federation den Fortschritt von Frauen am eindrucksvollsten repräsentierten. Über Frauen in der frühen amerikanischen Popmusik vgl. http://www.parlorsongs.org/issues/2002-9/thismonth/feature.php#top  Eine Liste von sheet-music amerikanischer Komponistinnen in der Georgia-State-University findet sich unter http://www.library.gsu.edu/spcoll/pages/pages.asp?ldID=105&guideID=0&ID=4017 ).  
In der nächsten Generation, zu der auch Mabel Wayne zählt, tauchen eine ganze Reihe von jungen Frauen auf, die als Komponistinnen und Texterinnen sehr erfolgreich im Popmusikgeschäft arbeiten und deren Songs noch heute gespielt werden.
Da wäre Maria Grever (1894-1951, geb. in Mexiko City) zu nennen, die schon mit 4 Jahren mit dem Komponieren begann und über ein absolutes Gehör verfügte. Ihr Musikstudium in Frankreich führte sie u.a. zu Claude Debussy. Neben den Melodien ihrer Songs schrieb sie oft auch die Texte:  ihr Repertoire umfasste etwa 850 Songs. Erfolgreich war sie vor allem in den 30er und 40er Jahren, auch mit  Filmpartituren und Broadwayshows. Einige ihrer bekannten Songs sind der von vielen Jazzmusikern interpretierte Titel "What a difference a day made" (1934, benutzt u.a. auch in dem deutschen Film "LOLA RENNT", 1998),  der Tango-Bolero "Júrame" u.v.a. ( Im Bremer Klaus Kuhnke Archiv für Populäre Musik finden sich 20 Aufnahmen bedeutender Musiker von "What a difference a day made"!). Ihr erster Großerfolg "A una Ola" erschien 1922 und wurde mit 3 Millionen Kopien verkauft. Ab 1921 trat sie erfolgreich in New York auf, wo sie auch meistens lebte und arbeitete (http://www.answers.com/topic/maria-grever).  Also auch sie eine Komponistin, deren Lieder sich nachdrücklich in das kollektive massenmediale Gedächtnis bis heute eingeschrieben haben. Merkwürdigerweise und zunächst unverständlich, dass sie bislang offenbar nicht der Songwriters Hall of Fame angehört.
Ähnlich erfolgreich ist auch die Texterin Dorothy Fields (1905-1974), deren Titel anfangs oft von Jimmy McHugh vertont wurden und die heute als Standards von einer Unzahl von Interpreten immer wieder zu hören sind, etwa "I'm in the mood for love" (1935),  "I can't give you anything but love, baby" (1927), "On the sunny side of the street" (1930) oder "The way you look tonight" (1935, Dorothy Fields und Jerôme Kern erhielten dafür den Oscar für den besten Filmsong). Sie schrieb auch für Cole Porter, Irving Berlin (Annie Get Your Gun) oder Cy Coleman (Sweet Charity). 1971 wurde sie in die Songwriters Hall of Fame aufgenommen. Im Januar 2009  hat US-Präsident Barack Obama in seiner Rede zum Amtsantritt aus einem Song von Dorothy Fields zitiert: "Starting today, we must pick ourselves up, dust ourselves off, and begin again the work of remaking America."  Fields Text stammt aus "Pick yourself up", einem von Jerôme Kern komponierten Song aus dem Fred Astaire-Film SWINGTIME von 1936.
Das sind nur einige Beispiele aus der Erfolgsgeschichte von Frauen in der amerikanischen und aufgrund der Verbreitung auch der europäischen Popmusik der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Natürlich haben auch in den nächsten Dekaden und auch im 21. Jahrhundert Frauen als Songwriter eindrucksvolle Arbeiten  präsentiert. Als Beispiel sei stellvertretend  auf Diane Warren hingewiesen (geb. 1956), die bislang über 1000 Titel geschrieben, mehr als 70 Songs für Film- und TV-Produktionen beigesteuert (z.B. DANCE WITH ME 1998, NOTTING HILL 1999, MOULIN ROUGE 2001) und  viele Auszeichnungen wie Oscar- und Golden Globe-Nominierungen erhalten hat.
Soviel an Andeutungen, Hinweisen und Bemerkungen zu einer vielleicht noch ausführlicher zu bearbeitenden Sichtweise auf die Geschichte der populären Musik.

Schlechte Musik?
Ein kleines Nachwort von Marcel Proust (aus "Les Plaisirs et les Jours", 1896):
"Détestez la mauvaise musique, ne la méprisez pas. Come on la joue, la chante bien plus, bien plus passionément que la bonne, bien plus qu'elle elle s'est peu à peu remplie du rêve et des larmes des hommes. Qu'elle vous soit par là vénérable. Sa place, nulle dans l'histoire de l'Art, est immense dans l'histoire sentimentale des sociétés. Le respect, je ne dis pas l'amour, de la mauvaise musique n'est pas seulement une forme de ce qu'on pourrait appeler la charité du bon goût ou son scepticisme, c'est encore la conscience de l'importance du rôle social de la musique... "
"Verabscheut die schlechte Musik, aber verachtet sie nicht. Da man sie häufiger spielt oder singt und viel leidenschaftlicher als die gute, hat sie nach und nach den Traum und die Tränen der Menschen in sich aufgenommen. Deshalb soll sie Euch verehrungswürdig sein. So unbedeutend ihre Stellung in der Geschichte der Kunst ist, so unermesslich ist sie in der Geschichte der Gefühle innerhalb der Gesellschaft." (Marcel Proust, Les Plaisirs et Les Jours, Paris 1924, S.201f. (Übersetzung Fred Ritzel))
Prousts "Lobrede auf die schlechte Musik" hat einen merkwürdigen Beigeschmack, obwohl ihre Aussagen zutreffend sind.  Eigentlich meint er die populäre, die Salon- und Unterhaltungsmusik seiner und früherer Zeiten, deren musikalische Sachverhalte er eindeutig verachtet und geringschätzt. Er unterscheidet nicht zwischen guter und schlechter Musik, sondern eigentlich zwischen populärer und Kunst-Musik. Dass unter dem Gütezeichen der letzteren in großem Umfang auch schlechte Musik firmiert, uninspirierte, formalistische, fantasielose, prätentiöse oder einfach handwerklich schlecht gefertigte  -  dies bleibt außerhalb seiner Argumentation oder bestenfalls eine ideologisch gefärbte Behauptung.
Auf Hanns Eislers Text "Über Dummheit in der Musik", in: Hanns Eisler: Musik und Politik. Schriften 1948 - 1962. Textkritische Ausgabe von Günter Mayer, Leipzig 1982, S.388-392, sei hingewiesen. Eisler debattierte hier u.a. Prousts "Lobrede" und verdammt dabei nachdrücklich die kommerzialisierte Tanz- und Unterhaltungsmusik. Ihre sozialpsychologische Bedeutung  ignoriert er allerdings und sieht erst im "blühenden Sozialismus und Kommunismus" eine Situation gekommen, in der diese gefährliche und "schlechte Musik" keine  Grundlage mehr habe. Auch Carl Dahlhaus  bemüht Proust in seinem Text "Über musikalischen  Kitsch", in: Carl Dahlhaus (Hg.): Studien zur Trivialmusik des 19. Jahrhunderts, Regensburg 1967, S.63-69. Beide Autoren verachten aus unterschiedlichen Gründen die kommerzielle Tanz- und Unterhaltungsmusik, beide ignorieren die sozialpsychologische Bedeutung des Phänomens, beiden fehlt der Respekt vor ihrer Rezeption und deren Bedeutung für die Nutzer, auf die Proust hinweist.
Immerhin konnte Proust in der Endphase des 19. Jahrhunderts durchaus populäre Musik wahrnehmen, die schon unter kommerziellen Gesichtspunkten und auch international produziert wurde. Und sicherlich klaffte die Schere zwischen Kunstmusik und Massenmusik bereits deutlich auseinander. Aber er hätte auch Claude Debussy, Emmanuel Chabrier, Cecile Chaminade und andere Komponisten aus dem Lager der Kunstmusik wahrnehmen können, die mehr als nur Respekt vor der sozialpsychologischen Bedeutung der populären Musik zeigten und mit ihren künstlerischen Mitteln Material aus der Welt der populären Musik in ihr Werk hereinholten.  
Aber die, aus der Sicht von Proust, anrüchige Herkunft dieser scheinbar "schlechten Musik" besitzt immerhin eine äußerst bedeutsame Eigenschaft, sie wird geliebt, gebraucht und erinnert. Und dies respektiert er. Die soziale Verortung der populären Musik und ihre Kontextualisierung, erzeugen ein Rückkopplungsfeld, in dem durchaus auch musikimmanente Kriterien wirksam werden. Nur mit den Mitteln der üblichen Analysetechniken wird das nicht bewiesen werden können (Carl Dahlhaus hat öfters vergeblich mit musikanalytischen Mitteln nachzuweisen versucht, dass Tschaikowski ein schlechter Komponist sei) (vgl. etwa Carl Dahlhaus: Gesammelte Schriften. Band 5, Laaber 2003, S.260-261 über die 4. Sinfonie von Peter Tschaikowski mit ihrem "von außen übergestülpten Pathos" u.a.).  
"Ramona" kann sicherlich als eine unbedeutende Komposition unter dem Blickwinkel des ästhetischen Fortschritts im musikalischen Material der 1. Hälfte des 20. Jahrhunderts eingeschätzt werden. Aber ihre Bedeutung für die Geschichte der Gefühle im 20. Jahrhundert erscheint mir recht hoch, die Vielfalt der Auseinandersetzung mit dieser Melodie, die Stärke der Erinnerung an sie und die Lust an ihrer Nutzung verrät mehr, als dass nur Achtung angebracht wäre. Die Rezeptionsgeschichte des Stückes zeigt es eindrucksvoll.

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