Text abgeruckt in: Fischer, Michael [Hrsg.]/Widmaier, Tobias [Hrsg.]:  Lied und populäre Kultur/Song and Popular Culture, 59 (2014).  Jahrbuch des Zentrums für Populäre Kultur und Musik 59. Jahrgang – 2014. Lieder/Songs als Medien des Erinnerns, Münster/New York: Waxmann 2015, S.143-170

 

FredRitzel

Das kann doch einen Seemann nicht erschüttern!

Über ein Lied aus der Zeit des Kriegsanfangs, seine mediale Präsentation und seine Nachwirkungen



Der äußerst erfolgreiche Schlager Das kann doch einen Seemann nicht erschüttern wurde in der Zeit des Kriegsanfangs 1939 mit hohem propagandistischen Aufwand gezielt in die deutsche Medienöffentlichkeit eingegeben und noch heute, nach 75 Jahren, dürfte er den meisten Deutschen bekannt sein, wenn auch nicht als ein Exempel aus der NS-Propagandaküche. Damals verbanden sich seine Botschaften mit der Lebenssituation im Krieg in besonderer Weise und sicherten ihm dadurch eine enorme Popularität. Aber diese entstand nicht von ungefähr, sondern sie wurde planmäßig hergestellt.

Die Schlagzeile wirkte so nachhaltig, dass sie allmählich in den allgemeinen Sprachgebrauch übergehen konnte, losgelöst von dem Lied und bis heute im kollektiven Sprachrepertoire zu finden. Obwohl sein ehemaliger Funktionszusammenhang weitgehend verschwunden ist, überdauert das Lied als fröhliches Marschlied, zum Gebrauch bei Schützenfesten, bei Tanz- und Karnevalsveranstaltungen, im Radio, im Fernsehen und auch im privaten Kontext.

Die modernen elektronischen Medien des 20. Jahrhunderts – insbesondere Radio und Film – haben in den Kriegen des 20. Jahrhunderts eine bedeutende Rolle gespielt. Funk und Stummfilm konnten bereits im 1. Weltkrieg wichtige Kommunikationsaufgaben übernehmen. In der Weimarer Zeit entwickelte sich der Rundfunk allmählich zu einer massenmedial wirksamen Kraft im Geschäft der politischen, gesellschaftlichen und kulturellen Meinungsbildung. Dazu kam ab 1930 der Tonfilm. Die Propagandakonzepte der Nationalsozialisten bauten diese neuen Möglichkeiten der Massenbeeinflussung nachdrücklich und sehr effektiv aus. Die Kommunikationstechnologien verwandelten sich in wirksame Instrumente der Massenmanipulation.

Mit dem 2. Weltkrieg spielen sie eine zentrale Rolle in der Beeinflussung der Bevölkerung und tragen nicht zuletzt durch ihre kriegswichtige Überzeugungsmacht sehr zu Verlängerung des Kriegs und zur Desorientierung und taktischen Motivierung von Bevölkerung und Soldaten bei allen involvierten Kriegsparteien bei. In einem äußerst ambivalenten Sinn kann man von der „Feuertaufe“ der modernen audiovisuellen Medien sprechen. Mit dem Medium Fernsehen wurde zwar bereits im Vorfeld des Krieges experimentiert, aber zu wirklich kriegswichtigen Einsätzen kam es nicht mehr.

Die besonderen Funktionen von Radio und Film werden nicht nur im Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda (= RMVP), dem Goebbels-Ministerium, gesehen und in entsprechende Aktivitäten umgesetzt. Auch in Fachkreisen kommt es zu einigen einschlägigen Diskussionen. So ist in einer filmpolitischen Schrift von Peter von Werder 1941 zu lesen, dass in den letzten Jahren vor Kriegsbeginn und schließlich in den ersten Kriegsjahren ein ausgesprochen politisches Problem entstanden sei,

„politisch im Sinne von Anleitung, Beispielgebung und Seelenführung. Wir stehen heute vor der Tatsache, daß der Film für weiteste Volkskreise zu einem der eindringlichsten Mittler wesentlicher Vorstellungen über Tun und Lassen, Glück und Leid des Menschen geworden ist. Er lehrt Lebensinhalte kennen, die Presse und Rundfunk, Literatur und Theater längst nicht in der gleichen Einprägsamkeit und in der gleichen Breitenwirkung an den Volksgenossen herantragen können. Mit anderen Worten: der Film hat mittlerweile eine ausgesprochen soziale Funktion übernommen – sein Publikum besteht dabei aus Hand- und Geistesarbeitern, setzt sich aus allen Berufsschichten des Volkes zusammen und erfaßt alle Generationen. Und da ihm ein immer größerer Anteil an der privaten Freizeitgestaltung des einzelnen Volksgenossen eingeräumt wird, verfügt er auch über zunehmend stärkere seelisch-gemüthafte Wirkungsmöglichkeiten.“1


Im Gegensatz zu der umfangreichen wissenschaftlichen Beschäftigung mit den NS-Propagandafilmen erscheint die Auseinandersetzung mit dem Genre der Unterhaltungsfilme nicht in gleichem Maße ausgeprägt. Die Partei-konformen Schwarzweiß-Botschaften der Propagandafilme verlockten oft nicht zu großen Nachfragen an den Kinokassen, während sich die Unterhaltungsfilme großer Beliebtheit erfreuten. Wobei in diesem Genre sehr oft und recht subtil, wie es Peter von Werder auch andeutet, NS-Botschaften in allerlei Verkleidungen auftauchen und wohl auch wirksam wurden.


Das Lied vom unerschütterlichen Seemann - ein propagandistisches Wunschbild des Deutschen im Krieg

Mit der Premiere der Filmkomödie Paradies der Junggesellen2 in Hamburg am 1.August 1939 beginnt die Karriere des beschwingten Marschfoxtrotts „Das kann doch einen Seemann nicht erschüttern“, genau einen Monat vor Kriegsbeginn. Drei Männer singen, Heinz Rühmann, Josef Sieber und Hans Brausewetter. Sie wirken wie Alltagsmenschen von nebenan, keine Großbürger, keine Außenseiter, keine Kinostars. Der "kleine Mann" kann sich ohne Probleme mit ihnen identifizieren. Gerade waren sie noch bei der Marine, auf einem Torpedoboot, und jetzt im Alltag streben sie nach einem von Frauen nicht beeinträchtigten lustigen Leben in einer Art Wohngemeinschaft, der Studienrat, der Apotheker und der wieder mal geschiedene Standesbeamte. Bereits während des Vorspanns ist mehrfach das Refrain-Motiv zu hören. Immer wieder erinnern Melodie-Zitate an das bei einem Treffen von Marinesoldaten präsentierte Lied, in der neuen Wohnung, beim Geschirrspülen, beim Kartenspielen, auch zu dritt am Klavier geklimpert. Es sind die üblichen Praktiken der Tonfilmschlagerzeit: Das Kinopublikum soll das neue Lied behalten lernen und es im Kopf gespeichert aus dem Kino tragen. Auch die Inszenierung des Lied-Auftritts zielt darauf ab: Nach der zweiten Strophe wiederholt die Kapelle den Refrain und alle singen mit, das Publikum in der Filmdiegese, und wohl auch tendenziell das Kinopublikum.


Das kann doch einen Seemann nicht erschüttern

Musik: Michael Jary, Text: Bruno Balz, 1939

Vers 1 Es weht der Wind mit Stärke zehn,

das Schiff schwankt hin und her;

am Himmel ist kein Stern zu seh'n,

es tobt das wilde Meer!

O, seht ihn an, o, seht ihn an:

Dort zeigt sich der Klabautermann!

Doch wenn der letzte Mast auch bricht, wir fürchten uns nicht!


(Text im Film) (Druckausgabe)

Vers 2 Die Welle spülte mich von Bord, Die Welle spülte mich von Bord,

da war'n wir nur noch zwei, dort unten bei Kap Horn,

und ein Taifun riß mich hinfort. jedoch für mich war das ein Sport,

Ich lachte nur dabei: ich gab mich nicht verlor'n!

Da zog ich mir die Jacke aus Ein böser Hai hat mich bedroht,

und holte alle beide 'raus. Doch mit der Faust schlug ich ihn tot!

So tun Matrosen ihre Pflicht Dann schwamm dem Schiff ich hinterdrein

und fürchten sich nicht! Und holte es ein!

(nicht im Film, Druckausgabe)

Vers 3 In jedem Hafen eine Braut,

das ist doch nicht zu viel,

solange jede uns vertraut,

ist das ein Kinderspiel!

Doch kriegt mal eine etwas raus,

dann wird sie wild, dann ist es aus!

Springt sie uns auch in das Gesicht,

wir fürchten uns nicht.


Refrain Das kann doch einen Seemann nicht erschüttern,

keine Angst, keine Angst, Rosmarie!

Wir lassen uns das Leben nicht verbittern,

keine Angst, keine Angst, Rosmarie!

Und wenn die ganz Erde bebt,

und die Welt sich aus den Angeln hebt.

Das kann doch einen Seemann nicht erschüttern,

keine Angst, keine Angst, Rosmarie!


Es gibt in der Druckfassung einen dritten Vers (s.o.), der aber bei der Marinefeier im Film nicht gesungen wird. Vermutlich geht die Streichung des dritten Verses auf das Propagandaministerium zurück, das wohl die lockere Moral der Seeleute mit ihren „Bräuten“ in jedem Hafen für die bevorstehende Trennung der Familien durch den Kriegsdienst der Männer moralisch als nicht ratsam erachtete.

Am 17. August 1939, einen Tag nach der Berliner Erstaufführung, schreibt der Film-Kurier über das Lied vom unerschütterlichen Seemann „ ... es wird bald in aller Munde sein.“

Und so geschah es.

Ihr Gesang vor den Kameraden macht die drei Protagonisten zu Stellvertretern für viele Männer, die nun bald in den Krieg ziehen. Und sie singen auch für „Rosemarie“, die keine Angst haben möge. „Rosemarie“, dies sind die deutschen Frauen, seien es Mütter, Schwestern, Ehefrauen oder Freundinnen, deren weiteres gemeinsames Leben unter den schrecklichen Bedingungen eines bevorstehenden Krieges jetzt in hohem Maße gefährdet scheint. Und auch für die Männer muss das Lied als moralische Aufrüstung herhalten. Karsten Witte vermutet:

„Die Angst ist ihre Braut; um das nicht zu entdecken wurde die Projektion einer Frau benötigt. Der Seemann ist, entgegen aller Behauptung, erschütterbar. Deshalb singt er so laut.“3

Anders als in der Bibel, wo der fragliche Ausruf noch als Aufforderung geäußert wird („Fürchtet Euch nicht!“), bringt das Lied gleich die feste Überzeugung der Sänger autosuggestiv zum Ausdruck und bevor der Refrain anhebt wird lauthals und selbstgewiss am Versende gesungen, seit 75 Jahren:

Wir fürchten uns nicht!“



Die Produktion des Films – als Produktionsleiter fungierte Heinz Rühmann – benutzte für das Drehbuch einen gleichnamigen „heiteren“ Roman von Johannes Boldt, Paradies der Junggesellen, aus dem Jahr 1938. In diesem Text erscheint das Lied noch nicht, auch kein anderes. Als recht interessant allerdings erweisen sich in Anbetracht der bevorstehenden Ereignisse des Kriegsbeginns die Veränderungen im Drehbuch: Bei den „bürgerlichen Junggesellen" handelt es sich um ehemalige Marinesoldaten von einem Torpedoboot. Auf einer Erinnerungsfeier treffen sie sich wieder und singen auf der Festsaal-Bühne ihr Lied Das kann doch einen Seemann nicht erschüttern. In der Romanvorlage kennen sich die drei dagegen aus einer gemeinsam erlittenen dreijährigen Gefangenschaft in einem Lager in Sibirien. Den drei Freunden gelingt gemeinsam die Flucht zurück nach Deutschland. Gedreht 1939 wäre der Film mit einem derartigen, auf den schrecklichen 1. Weltkrieg verweisenden Inhalt kaum als Konzept eines lustigen Männerprojekts unmittelbar vor Beginn des anstehenden Kriegs ratsam gewesen.4

Obwohl der Film eine recht alberne Geschichte erzählt, erlangte das Lied der drei Protagonisten eine enorme Popularität. Goebbels sieht den Film vor der Premiere am 29.7.1939 und ist nicht sonderlich begeistert, wird allerdings hellhörig bei dem Lied vom unerschütterlichen Seemann und ahnt sicherlich das propagandistische Potential des Lieds.5 Von Heinz Rühmann hält er viel, dem charakteristischen Darsteller des oft linkischen, manchmal verschmitzten „kleinen Manns“. Rühmann seinerseits pflegte recht engen Kontakt zu Goebbels und dessen Familie und auch zu weiteren Personen der NS-Nomenklatura.6 Und er hat erheblichen Erfolg als Schauspieler, verdiente enorm an seinen Produktionen und konnte sich stets geschmeidig zwischen Geschäft, Politik und NS-Netzwerken durchlavieren.

Sein Lied vom unerschütterlichen Seemann entwickelte sich zu einem der größten Schlagererfolge der Kriegszeit. In ihrem biographischen Buch über ihren Vater, den Komponisten Michael Jary, erzählt Micaela Jary von den Geschehnissen um das Lied nach der Premiere des Films Paradies der Junggesellen.7 Das Propagandaministerium bittet den Musikverlag des Titels - Wiener Bohème-Verlag – um eine Klavierstimme, so schreibt Frau Jary. Ob das stimmt ist fraglich, denn natürlich musste dem RMVP sämtliches Material einer Filmproduktion zur Genehmigung vorgelegt werden.8 Und dies umfasste auch Text und Noten des vorgesehenen Liedes. Vielleicht lässt sich sogar aufgrund der Abweichungen des Lieds gegenüber der Druckfassung der ändernde Einfluss des Propagandaministeriums vermuten. Denn neben der Streichung der dritten Strophe fällt auch auf, dass der Vers der zweiten Strophe im Film geändert ist und nun demonstrativ feststellt: Kameraden helfen sich gegenseitig, selbst in den schwierigsten und nahezu hoffnungslosen Situationen.

Wie auch immer, um ein Lied in seiner propagandistischen Qualität zu beurteilen, muss Goebbels es sich gewiss nicht am Klavier vorspielen (er braucht lediglich den Film anzusehen und zu hören).

Das Lied vom unerschütterlichen Seemann muss als ein Glücksfall für die Propaganda zum Kriegsanfang gelten, sehr geeignet, um erwünschte Stimmungen bei Bevölkerung und Soldaten zu erzeugen.

Obwohl Fritz Hippler (1939 Leiter der Filmabteilung im RMVP, ab 1942 "Reichsfilmintendant") mit Goebbels zusammen die Meinung vertritt, dass 1939 "die Stimmung des Volkes von ganz unten bis ganz oben ausgezeichnet gewesen" sei, sprechen die Deutschlandberichte der SPD von einer anderen, gedrückten und angstbeladenen Stimmung. "Das Volk will keinen Krieg. Ganz gleich wie er verhindert wird, es will ihn nicht...."9

In dieser ambivalenten Situation zwischen Angst und – zumindest anfangs nach den sogenannten "Blitzkriegen" – etwas Euphorie konnte das Lied vom unerschütterlichen Seemann mit seinen Stimmungsbotschaften im deutschen Volk beispielhaft wirksam werden. Die Metaphern im Text von Bruno Balz lassen sich in zwei Richtungen deuten: einmal eine positive Begeisterung für die anstehenden Kriegsereignisse verstärken, andererseits aber auch den Geängstigten, den Krieg fürchtenden Deutschen sarkastisch-locker Beistand versprechen und etwas Mut verleihen – es wird alles halb so schlimm werden!

Hymnen repräsentieren eine äußerliche, verordnete Identität. Schlager dagegen – und dazu zählt natürlich das Lied vom unerschütterlichen Seemann - hausen näher an der alltäglichen Stimmung der Massen, zeigen etwas vom alltäglichen Gefühlsstoffwechsel. Die kollektive Gefühlslage wird tendenziell umorientiert, verstärkt und gefestigt. Angstlust am Krieg scheint zu dominieren, aber auch Angst vor der Bedrohung der nach erstem Weltkrieg und den sozialen Katastrophen der Inflationszeiten mühsam wieder befestigten privaten Sphäre. Schlager singen zwar davon, wie es sein soll: Aber immer unter der harten Bedingung, dass die Nutzer dies scheinbar freiwillig akzeptieren, da sie sich selbst als Subjekt dieser kommerziell und ideologisch-politisch gefertigten Lieder verstehen.

Die zentrale Aufgabe der Medienpropaganda besteht darin, dafür zu sorgen, dass die Deutschen nach Möglichkeit frohgemut in den Krieg ziehen, ihn eine Strecke weit relativ enthusiastisch mittragen, und ihn schließlich, als er schrecklich wird, auch ertragen.


Bezeichnenderweise beginnt Wilfried Berghahn seine aufschlussreiche Analyse deutscher Schlager der fünfziger Jahre mit einem Hinweise auf die Schlager der Kriegszeit, insbesondere auch auf das Lied vom unerschütterlichen Seemann. Schlager bezeichnet er als Tagträume, deren Inhalte als Albernheiten neben dem kritischen Wachbewusstsein ihre Berechtigung haben.10

„Da Schlager kollektive Wachträume sind, gehorchen sie, wie alle Träume, nicht der Logik und Vernunft, sondern Wünschen und Ängsten. Sie müssen, wenn sie sprechen sollen, interpretiert werden, denn sie tragen ihre Botschaften nur halbbewusst in sonderbaren Verkleidungen und auf Schleichpfaden zwischen Wach- und Traumzustand“11

Und die Träume verraten, dass sich die Schlagerhörer in ihrer Haut nicht wohlfühlen und insgeheim hoffen, dass alles ganz anders kommen möge. In dieser Zwickmühle stecken die Deutschen 1939 ganz offensichtlich. Einige Zeit lässt sich das aushalten, spätesten bis zu den alliierten Bombenangriffen auf deutsche Städte und dem Ende der „Blitzkriege“.



Der Weg durch die Medien

Für die Verbreitung der Botschaft des Lieds vom unerschütterlichen Seemann wird nachdrücklich gesorgt. Nach der Hamburger Premiere kommt der Film Paradies der Junggesellen zwei Wochen später in Berlin zu Erstaufführung.12 Nach zwei weiteren Wochen wird „zurückgeschossen“, mit dem Überfall auf Polen am 1. September 1939 beginnt der 2. Weltkrieg. Nach einem Monat „Blitzkrieg“ kann man das Lied vom unerschütterlichen Seemann, gesungen von den drei Filmprotagonisten, im ersten Wunschkonzert für die Wehrmacht am 1.Oktober 1939 hören13, gewiss für ein weit größeres Publikum vor den Lautsprechern als bislang im Kino. Die Ausstrahlung des Wunschkonzert für die Wehrmacht, eine Live-Sendung aus dem Berliner Sendesaal, thematisiert die Verbindung zwischen Front und Heimat und ermöglicht es, in beiden Richtungen zu kommunizieren. Die Radiohörer können, genauso wie die Soldaten in der Ferne, die Botschaft des Lieds auf ihre individuellen Problemlagen beziehen. Und das Wunschkonzert suggeriert eine relativ stabile Beziehung zwischen den getrennten Teilen der deutschen Bevölkerung, es konstituiert - im NS-Jargon - sinnlich erfahrbar die "Volksgemeinschaft" in seltener Vollendung.14

Mehrfach treten die drei Protagonisten des Films Paradies der Junggesellen in weiteren Radiosendungen auf, auch mehrmals beim „Wunschkonzert der Wehrmacht“, der wohl einprägsamsten Radio-Livesendung der ersten Kriegsjahre. Eine Untersuchung von Karin Falkenberg berichtet, dass in den Erinnerungen deutscher Radiohörer diese Sendung als ein zentraler medialer Erinnerungsort genannt wird (obwohl die Sendung mit diesem Titel nur bis 1941 zu hören war). Und dabei wird auch immer wieder auf das Lied vom unerschütterlichen Seemann verwiesen.15

Neben der zentralen Wunschkonzertsendung gab es auch regionale Ableger. So etwa bei Radio Bremen, der für Samstagnachmittag eine entsprechende Sendung realisierte. Unter den Wunschtiteln spielt das Lied vom unerschütterlichen Seemann eine herausragende Rolle.16 Auch in anderen Regionen sowie im besetzten Ausland kommt es zu Wunschkonzert-Repliken.

Um das Lied vom unerschütterlichen Seemann - so wird es in einigen Untersuchungen mitgeteilt - entwickeln sich Legenden, möglicherweise propagandistisch gesteuerte. So soll an Bord des U-Boots U47 mit dem Kapitänleutnant Prien, dem Sieger von Scapa Flow und ersten deutschen Kriegshelden des 2. Weltkriegs, bei der Rückfahrt vom britischen Einsatzort nur eine einzige Schallplatte vorgelegen haben, nämlich Das kann doch einen Seemann nicht erschüttern (Priens U-Boot U-47 versenkt das Schlachtschiff „Royal Oak“ auf seiner zweiten Feindfahrt in der britischen Flottenbasis Scapa Flow am 14.10.1939) .17 Recht unwahrscheinlich, denn weder bei Prien selbst in seinem autobiographischen Text über seine Scapa Flow-Erlebnisse noch bei Wolfgang Frank, einem Crew-Mitglied von Prien, in seinem Buch Prien greift an, lässt sich ein Hinweis auf diese fiktive Platte finden.18 Möglicherweise ist sie auch einen Monat nach der Berliner Premiere des Films Paradies der Junggesellen noch nicht für die Ausstattung eines U-Boots vorgesehen. Wohl aber gibt es Hinweise (von Frank) , dass an Bord Radio gehört wird, und zwar auch das Wunschkonzert der Wehrmacht.19


Bei einer anderen Gelegenheit eines Auftritts der Sänger des Lieds vom unerschütterlichen Seemann wurde auch die produktive Aneignung des Lieds durch den Volksmund suggeriert. Im Rahmen einer Feier zur erfolgreichen Rückkehr des Dampfers „Bremen“, der im Dezember 1939 auf der Fahrt von New York die englische Blockade durchbrechen konnte, dokumentiert die UFA-Tonwoche einen Auftritt der drei Sänger aus Paradies der Junggesellen im Rahmen des Wunschkonzerts für die Wehrmacht in Anwesenheit des Kapitäns der Bremen und einer Mannschaftsabordnung. Sie singen, dem Anlass huldigend, ihr Lied, aber nun mit einem gegen England gerichteten Propagandatext (geschrieben von Gerhard Fließ), der Priens Sieg von Scapa Flow aufgreift:20

"Wie gern hat Churchill uns blockiert.

you see, it looks now black,

das deutsche U-Boot torpediert.

In seinem Frühstücksspeck,

ihn selber trifft ein jeder Schuß,

die waves zu rulen ist jetzt Schluß.

Die Nordsee ward ein deutsches Meer,

nu kiekste hinterher!


Das muss den Ersten Seelord doch erschüttern!

Meinste nich, meinste nich, Chamberlain?

Und trinkt er schnell zur Stärkung noch 'nen Bittern,

dieser Streich macht ihn weich, wirst schon seh'n!

Die "Royal Oak", three other ships,

wir kriegen ihn noch an dem Schlips!

Das wird den Ersten Seelord doch erschüttern!

Meinste nich, meinste nich, Chamberlain?


Das muss den Ersten Seelord doch erschüttern!

Jeder Streich macht ihn weich, macht ihn kleen.

Wir werden ihn auch weiterhin zerknittern,

siehste woll, siehste woll, Chamberlain!


Am Meeresgrund three mighty ships,

wir kriegen ihn noch an dem Schlips!

Das wird den Ersten Seelord doch erschüttern!

Siehste woll, siehste woll, Chamberlain!"


In einem anderen Auftritt mit dem Lied vom unerschütterlichen Seemann soll der Refrain nach Wunsch der Mannschaft der „Emden“ lauten: „Das kann die deutsche Flotte nicht erschüttern“.21

Ein weiterer Auftritt des Trios aus Paradies der Junggesellen soll zu Ehren von Kapitänleutnant Prien im Kriegswinter 1940 von der Wochenschau aufgenommen worden sein, wobei sie eine Parodie des Originaltexts mit einer weiteren gegen England gerichteten Veränderung singen:

„Das muß den Ersten Seelord doch erschüttern!

Lügt er auch, lügt er auch wie gedruckt!

Mag er mit seiner >Times< die Briten füttern:

Wohl bekomm's! Man wird sehn, ob man's schluckt.

Die >Royal Oak< bleibt nicht allein,

Wir schicken andre hinterdrein!

Du wirst den Ersten Seelord schon erschüttern,

Kapitänleutenant Prien, ahoi!“.22


Zum 55. Wunschkonzerts vom 5. Januar 1941 schreibt der Völkische Beobachter am 6. Januar 1941: „Musikalische Höhepunkte des Wunschkonzertes waren das packende Lied vom unerschütterlichen Seemann, in dessen Kehrreim die Zuhörer spontan einstimmten und für dessen Textvariante >Das kann doch einen Landser nicht erschüttern< ein Truppenteil nicht weniger als 63.000 RM dem Wunschkonzert gespendet hat, …....“23

Es wird deutlich, dass das mediale Bekanntmachen des Liedes zu einer Dauertherapie der deutschen Radiohörer zuhause und an der Front führen soll.


Parallel zum Bekanntwerden des Lieds über Rundfunk stellen sich auch andere Medien auf den neuen Erfolgstitel ein. So produzieren die Musikalienverlage Noten, für Gesang und Klavier bzw. Gesang, Violine und Klavier, auch für Gitarre und Gesang und kleine Besetzungen (Salonorchester, Tanzcombo, Blasmusik). Damit bedienen sie den häuslichen Musiziermarkt (Singen zum Klavier, zum Akkordeon o.ä.), aber auch den Bereich der öffentlichen Unterhaltung bei Konzerten und Tanzveranstaltungen.24 Und schließlich findet sich das Lied von Jary/Balz in Das zweite neue Soldatenliederbuch. Die bekanntesten und beliebtesten Lieder unserer Wehrmacht, das sowohl im Großformat wie auch in der kleinen Taschenausgabe von Schott, Mainz, für die Soldaten angeboten wird, damit sie sich jederzeit aus kriegerischen Problemlagen in die Unerschütterlichkeit der Seemänner hinüber singen können.

Einspielungen auf Schallplatte liegen schon 1939 vor: natürlich zunächst von den drei Protagonisten aus Paradies der Junggesellen „mit dem Tonfilm-Orchester unter der persönlichen Leitung des Komponisten Michael Jary“. Interessant dabei die Rückseite der Schellackplatte, die lautet: „Wozu ist die Straße da? Zum Marschieren!“, auch von einem Männertrio gesungen und im Hinblick auf die Kriegsperspektive als Suggestion eines bevorstehenden netten, idyllischen Wanderausflugs zu verstehen (der Titel stammt aus einem Rühmann-Film von 1936, Lumpacivagabundus)25. Die Platte erscheint dann übrigens auch in Frankreich mit dem Seemannslied aus "Le paradis de célibataires".

Ab 1939 kommen zahlreiche Einspielungen des Lieds vom unerschütterlichen Seemann auf den Markt, hier eine Auswahl26:

Großes Tanzorchester, Dirigent Adalbert Lutter, Refraingesang: Heyn-Quartett

Oscar Joost Tanz-Orchester, Schuricke-Terzett

Großes Tanzorchester Kurt Widmann

Joe Alex (Jazz-Harmonika) mit seinen Solisten, Gesang: Die Richters

Hans Carste mit seinem Orchester

Heinz Munsonius mit seinem Harmonika-Tanzorchester, Gesang: Die 4 lustigen Jungens

Die 5 Gloria Gesangs-Gitarristen

Hotcha-Mundharmonika-Trio mit rhythmischer Begleitung

Das Polizei-Blasorchester Frankfurt/M., Ltg.: Obermusikmeister Eugen Fu¨lling.

Und diese Aufzählung nennt nur eine Auswahl von Schellack-Platteneinspielungen. Die darauf zu hörenden Musiker haben natürlich auch bei ihren Live-Auftritten ihr Repertoire gespielt und zahlreiche Hörer und Tänzer mit dem Lied vom unerschütterlichen Seemann intensiv vertraut gemacht. Die Arrangements geben teilweise auch Gelegenheit zum Mitsingen, wenn nämlich eine Refrain-Wiederholung ohne Gesang gespielt wird (z.B. bei der Joost-Interpretation mit dem Schuricke-Terzett, auch bei Adalbert Lutter mit dem Heyn-Quartett). Selbst die „offiziellen“ Parodien wurden auf Schallplatten produziert: „Das muß den ersten Seelord doch erschüttern“ singt in einer Aufnahme vom 29.11.1939 das Schuricke-Terzett, begleitet vom Ensemble Fred Dömpke.27

Als ein weiteres interessantes mediales Kommunikationsmittel nutzen Postkartenhersteller bekannte Titel aus Rundfunk und Film und präsentieren populäre Lieder als Lied-Postkarten. Mit diesem Medium, beliebt seit Ende des 19. Jahrhunderts, können nun im Krieg Soldaten und Angehörige ihren Partnern, Verwandten und Freunden postalisch Grüße übermitteln und zugleich auf die jeweiligen Botschaften verweisen.28 Zum Lied vom unerschütterlichen Seemann erscheinen verschiedene Produktionen. Als Beispiel hier ein Exemplar aus dem Verlag Robert Franke, Hamburg Lokstedt Nr.531253:





Die zweite Strophe unterscheidet sich von derjenigen in Paradies der Junggesellen (s.o.S.2-3), statt des Kampfs mit einem Hai wird dort die wundersame Rettung eines über Bord gegangenen Seemanns geschildert – sicher auch ein Hinweis auf selbstlose Kameradschaft und Hilfe im bevorstehenden Krieg. Die hier abgedruckte 3-strophige Fassung entspricht der handelsüblichen Version, wie sie in Notenheften, Liederbüchern und Arrangements zu finden ist (vielleicht ein Hinweis darauf, dass die diversen kommerziellen Fassungen rechtzeitig vor dem Filmstart vorbereitet worden waren).


Mit zwei Großprojekten findet die Stimmungsmassage unter der Steuerung des Propagandaministeriums 1940 ihre Fortsetzung, in einem Buch und in einem Film. Das Buch thematisiert die beliebte Radiosendung, verfasst von den Moderatoren Heinz Goedecke und Wilhelm Krug: Wir beginnen das Wunschkonzert für die Wehrmacht, das bis 1940 immerhin fünf Auflagen erlebte (mit bis zu 350.000 Exemplaren). Goebbels stellt lobend fest:

„... ein wunderbares Buch über die Wehrmachtwunschkonzerte. Es ist manchmal direkt zu Tränen rührend. Unser Volk zeigt sich da in seiner wunderbaren Großherzigkeit und Güte.“ (4. März 1940)29

Es handelt sich um eines der meistverkauften Bücher der NS-Zeit. Natürlich kann es mit Hitlers Mein Kampf hinsichtlich der Auflagenhöhe nicht verglichen werden (Auflage über 12 Millionen30), geht aber mit seinen Botschaften vermutlich direkter und „brauchbarer“ in den Lesealltag der „Volksgemeinschaft“ ein. Sogar ein propagandistischer Fehler unterläuft den Autoren, wenn sie das wohlbekannte Lied „Wir zahlen keine Miete mehr!“ abdrucken – ein Werk von zwei jüdischen Emigranten (Werner Richard Heymann, Walter Reisch), ohne dass die Verantwortlichen es bemerken!31

Mit vielen Bildern, lustigen Zeichnungen und in lockerer Alltagssprache verfasst, gibt es zugleich vor, von Hintergründen in der Rundfunkredaktion und in anderen Instanzen der Medienarbeit wie auch Episodisches von der Front zu berichten, eine unterhaltsame Lektüre für die „Volksgenossen“. Und auch das Lied vom unerschütterlichen Seemann wird erwähnt.

Goedecke reimt:

"Und diese drei kennt auch ein jeder.

Hier ziehn sie wieder mal vom Leder -

sie bringen ihren Seemann an,

den niemals nichts erschüttern kann."

Dazu ein Foto (von Hanns Hubmann, Berlin) mit den drei Protagonisten.32

Und an späterer Stelle im Buch witzeln die Autoren über die poetologischen Schwierigkeiten des Lieds vom unerschütterlichen Seemann , Goedecke pflegte seine Moderationen oft in Reimen vorzutragen:

„Zum elften Male sagen wir den „Seemann“ an:

Jetzt wollen wir den Pegasus erst füttern,

sonst können wir das arme Tier zerknittern,

nach neuen Reimen für den Seemann wittern,

Die Schranken, die den Pegasus umgittern,

(vom Sprachschatz her) – wird er, gleich jenen Rittern

des kühnen Altertums bestimmt zersplittern.

Und geht’s nicht so, dann geht’s mit ein paar Litern.

Jetzt schreit er: halt, ich laß mich nicht verbittern,

ich finde keinen Reim mehr auf erschüttern.„33


Soldaten im Feld wie Hörer zuhause und im Berliner Sendesaal erleben die propagandistisch vielbeschworene „Volksgemeinschaft“ des Nazi-Staats: ein mediales Großereignis! Und immer wieder mit dem Lied vom unerschütterlichen Seemann.


Später im Jahr 1940 kommt dann der Film Wunschkonzert heraus,34 ein enthusiastisches Loblied auf die bekannte Radiosendung und eine geschickte Medienidylle der "Volksgemeinschaft" im Krieg, die sowohl private Beziehungen wie kriegsbedingte Problemlagen zeigt, verbunden mit kompiliertem Wochenschaumaterial, ein Film also, der auf die zeitgenössischen Zuschauer äußerst realitätsnah, aber auch beruhigend wirken konnte. Er gilt als einer der mit 26 Millionen Zuschauern meistbesuchten Filme der Nazizeit. In raffinierter Weise verbindet er, wie das im Titel angesprochene Wunschkonzert der Wehrmacht, reales Geschehen mit Fiktivem, Bilder vom gleichzeitigen Krieg im Osten, von der Olympiade 1936, den Angriffen der Legion Condor in Spanien, mit medialer Resonanz im Sendesaal des Berliner Rundfunks und einer Liebesgeschichte im Krieg – Ilse Werner und Carl Raddatz spielen ein Liebespaar, das sich über das Wunschkonzert in den Kriegswirren wieder findet.

Das Lied vom unerschütterlichen Seemann wird als Zitat einer nachgestellten Wochenschauaufnahme des Wunschkonzerts präsentiert.35 Ebenso stammen die anderen Beispiele aus dem Wunschkonzert für die Wehrmacht aus eigens für die Verwendung in diesem Film produzierten Sequenzen. Dabei wird die besondere Propagandarolle des Wunschkonzerts dramaturgisch geschickt als Brücke zwischen Front und Heimat, zwischen allgemeinen und ganz persönlichen Schicksalen dieses Kriegs herausgearbeitet, selbst das für die Kriegszeit zentrale Thema Tod bekommt eine wichtige Sequenz in der Folge der Wunschkonzert-Auftritte.36

„Ein Film der Wirklichkeit; ein Kunstwerk der Wahrheit. Epos und Dokument zugleich... die große ethische Idee der deutschen Gemeinsamkeit und Schicksalsverbundenheit, die in diesem Film so packend Ausdruck gefunden hat …. “,

jubelt Jupp Müller-Marein (der spätere Chefredakteur der ZEIT) in einer Berliner Zeitungsrezension nach der Uraufführung des Films am 30.12.1940 im Berliner UFA-Palast.37 Und er vergisst dabei nicht, auch auf das Lied vom unerschütterlichen Seemann hinzuweisen.

In der Spielzeit 1941/42 entwickelt sich Wunschkonzert zum erfolgreichsten Film an den Kinokassen. Übertroffen wird er dann durch Die große Liebe (1942), den kommerziell erfolgreichsten Film der NS-Zeit mit 27 Millionen Zuschauern.

Nach dem missratenen Russlandfeldzug, dem Eintritt der USA in die Allianz der Gegner und weiteren Katastrophen konnte das Triumph-Lied vom unerschütterlichen Seemann mit seinen Deutungsangeboten an die Realität der Zeit nicht mehr beruhigen, nicht mehr überzeugen. Andere Unterhaltungsangebote jedoch versuchten, die eskapistische Trost-Therapie weiterzuführen. Das im Paradies der Junggesellen so erfolgreiche Duo Michael Jary/Bruno Balz steuerte zwei musikalische Großerfolge bei, die zu den bedeutsamsten Durchhalteschlagern des 2. Weltkriegs gehörten: „Davon geht die Welt nicht unter“ und „Ich weiß, es wird einmal ein Wunder geschehn“. Beide Lieder gehören einer ganz anderen, eher melancholischen Sorte von Liedern an. Zwar entspricht ihre Bauweise äußerlich derjenigen des Lieds vom unerschütterlichen Seemann (s.u.), auch die emotionalen und musikalischen Wechsel von Vers und Refrain ähneln sich, aber Stimmung und Textbotschaft passen sich nun besser den härteren Entwicklungen des Kriegs an und bieten vor allem eingängigere psychische Fluchtmöglichkeiten.38 Und auch den forschen Marschfox-Tritt benutzen sie nicht, sondern bevorzugen die sanftere Walzer-Bewegung. Neben diesen beiden Fluchtliedern gibt es noch zahlreiche andere Schlager, die sich an der psychischen Betreuung der „Volksgemeinschaft“ beteiligen, meist Filmschlager.


Parodien

Es scheint, dass die Parodieanfälligkeit der bekannten NS-Schlager auch von ihrer Entstehungszeit während des Kriegs abhängt. So wird das Lied vom unerschütterlichen Seemann zu Blitzkriegszeiten, also zu Anfang des Krieges, mit euphorischem Optimismus präsentiert. Weitere Textvarianten, die wohl meist als von der Propaganda erwünschte Volksmundvorgaben zu verstehen sind oder von diensteifrigen Zeitungsschreibern im Sinne der Seemann-Campagne erfunden wurden, machen die Runde:

Vers 1 Ein ship swam übern Ozean,
am Bug der Union Jack.
O, "Royal Oak", du stolzer Kahn,
auf einmal warste weg!

De captain kiekt aus sein Kajüt,
da sah er'n Periskop, so lütt!
O, damned, oh, a submarine!
Schon liegt der "Royal" drin!

Vers 2 No waterdrop traf "Ark Royal"!
Lügt er mit frechem Mund.
Dabei - auch diese Burg aus Stahl
schwimmt unten auf dem Grund.

So lügt, so lügt der Erste Lord,
no normal man glaubt ihm ein Wort!
Und speit er Galle auch und Gift:
Ein deutscher Bomber trifft!

Vers 3 Wie gern hätt Churchill uns blockiert!
You see, it looks now black!
Das deutsche U-Boot torpediert
ihm seinen Frühstücksspeck.

Ihn selber trifft ein jeder Schuß,
die waves zu rulen, ist jetzt Schluß.
Die Nordsee ward ein deutsches Meer;
nu kiekste hinterher!

Vers 4 So kriegt man Churchill auf'n Baum,
so spielt man mit ihm Zeck!
Auch die "Repulse" - ein stolzer Traum -
hat outboard schon ein Leck!

Mit jedem Tag wird, wie man sieht,
a little smaller Your "Grand Fleet",
o, damned, oh, a submarine,
schon wieder liegt wer drin!

REFRAIN Das muß den Ersten Seelord doch erschüttern!
Meinste nich, meinste nich, Chamberlain?
Und trinkt er auch zur Stärkung schnell 'nen Bittern,
dieser Streich, macht ihn weich, wirst schon sehn!

Die "Royal Oak", three other/ mighty ships
Wir kriegen ihn noch an dem Schlips!
Das wird den Ersten Seelord doch erschüttern!
Meinste nich, meinste nich, Chamberlain?39

Bereits am 24.Oktober 1939 schreibt der Film-Kurier über die besondere Popularität des Schlagers und stellt fest, dass als Charakteristikum eines populären Lieds Umdichtungen entstehen.

„Der Sang vom unerschütterlichen Seemann wird am Mikrophon umgedichtet. Ein gewisser Seelord spielt dabei eine Rolle.“40

Dies wird bereits eine Woche nach Rückkehr des erfolgreichen U-Boots von Prien konstatiert.

Sicher scheint, dass das Propagandaministerium schneller handelte als der „Volksmund“ es normalerweise vermocht hätte.

„Wenn man erfährt, daß ein Berliner Vergnügungsunternehmen einen öffentlichen Wettbewerb für neue Strophen des seemännischen Trutzlieds ausgeschrieben hat, so setzt das der Popularität gleichsam die Krone auf. Gar nicht auszudenken, was da nach Jarys Melodie noch alles geschehen kann.“41

Im Propagandaministeriums wurde diese Aktion bestimmt mit Wohlwollen aufgenommen und am gleichen Tag konnte im Völkischen Beobachter ein Interview mit Michael Jary gelesen werden, das sich vor allem dem Lied vom unerschütterlichen Seemann widmet.42

Selbst vor den Zäunen der Konzentrationslager und Zwangsarbeiterbaracken macht das Propagandalied nicht halt. So wird aus dem KZ Buchenwald von einer Variante berichtet, die, von den Bewachern kaum bemerkt, die Refrain-Zeile leicht abändert: „Das kann doch einen Häftling nicht erschüttern“. Sie sollte den Wunsch ausdrücken, als Lagerinsasse durchzuhalten und nicht aufzugeben.43 Eine etwas andere Wahrnehmung beschreibt Bruno Apitz in einem Text über seine Erfahrungen im KZ Buchenwald:

„Damit sollte zum Ausdruck gebracht werden, wie abgehärtet wir waren, welche dicke Haut wir bekommen hatten. Den Gefahren des Lagerlebens, dem Tod und den Brutalitäten der SS standen wir gleichgültig gegenüber. Wir hatten fast vor all diesen Dingen den Respekt verloren. Es gab nichts, was uns noch hätte erschüttern können“,

allenfalls die brutale Härte des sogenannten „Kleinen Lagers“.44 Diese KZ-Sänger scheinen einer eher lethargischen und depressiven Stimmung ausgeliefert.

Aus dem Zigeunerlager in Auschwitz wird während des Auschwitz-Prozesses berichtet, dass die Häftlinge nach dem von dem Angeklagten SS-Mann Franz Hofmann angeordneten Sportübungen „Das kann doch einen Seemann nicht erschüttern“ gesungen haben. Offenbar eine trotzige Reaktion gegen die Sportschikanen, bei denen häufiger Häftlinge entkräftet oder gar tot liegen blieben. Als Reaktion auf den Gesang wurde zur Strafe eine erneute Sportübung verlangt.45

Aber auch deutliche Widerstands-Parodien lassen sich finden. Ein französischer Zwangsarbeiter reimt in einem Arbeitslager bei Garmisch-Partenkirchen – etwas abstrus:

Wir werden deutsche Städte bombardieren,
keine Angst, keine Angst, Roosevelt.
Wir werden deutsche Schiffe bombardieren, ufiger
keine Angst, keine Angst, Roosevelt.
Und wenn die ganze Achse brennt
und Adolf Hitler an dem Galgen hängt,
das kann doch Mister Churchill nicht erschüttern.“46

Der Text stammt aus der Zeit nach der Kriegswende, nach dem missratenen Angriff auf die Sowjetunion und nach dem Eintritt der USA in den Krieg. Im September 1942 wird der Autor Emil Deny verhaftet. Er arbeitete auf der Zugspitze im Hotel Schneefernerhaus, hatte die Parodie auf das Lied vom unerschütterlichen Seemann gedichtet und wohl auch bei Gelegenheit gesungen. Der Vorwurf „staatsfeindlicher Bestrebungen“ führt zu seiner Überstellung an die Gestapo nach München.


Die Musik, der Text


Keine Frage, dass nach der massiven Medienkampagne das feuchtfröhliche Marschlied eine außerordentliche Popularität gewinnen konnte. Und sie dauert an bis heute, zumindest bei der älteren Generation. Selbst wenn ihr historischer Kontext, der in hohem Maße den damaligen Erfolg mitbestimmte, im heutigen kollektiven Bewusstsein verschwunden sein mag.

Können für den Erfolg dieses Liedes auch immanente Sachverhalte bedeutsam sein? Geben die musikalischen Gegebenheiten dafür Anhaltspunkte?

Michael Jary (1906-1988) hatte in Berlin Musik studiert und seine kompositorischen Pläne zielten zunächst überhaupt nicht auf den Sektor Schlager und Unterhaltungsmusik, sondern eher in Bereiche der zeitgenössischen Moderne, etwa orientiert am musikalischen Stil von Kurt Weill. Dass ihn zunächst die zeitgenössische Kunstmusik interessierte, mag wohl an seinen Lehrern gelegen haben und an dem besonderen kompositorischen Klima an der Berliner Musikhochschule um 1930 (mit Lehrern wie Schreker, Hindemith, Schönberg u.a.). Der Weg in die Schlagerbranche wurde wie bei anderen Zeitgenossen (etwa bei Wilhelm Grosz) als eine Möglichkeit zum Gelderwerb und unter existentiellem Zwang beschritten. Im Filmgeschäft fand er ab 1937 bald interessante und recht erfolgreiche Beschäftigungsmöglichkeiten. Bevor er für Paradies der Junggesellen engagiert wird, stammt schon eine ganze Reihe Filmmusiken aus seiner Feder. Dabei auch ein großer Schlagererfolg: Roter Mohn (aus dem Film Schwarzfahrt ins Glück, 1938). Und den Text dazu schreibt der bereits schon erfahrenere und erfolgreiche Textautor Bruno Balz, mit dem Jary dann bei vielen Gelegenheiten (bis 1960) zusammenarbeitet.

Der Lied vom unerschütterlichen Seemann von Jary und Balz erscheint zunächst völlig normgerecht, ein zweiteiliger, aus Versen und Refrain bestehender Marschfoxtrot. Dabei könnte der Versteil etwas an den Weill-Stil erinnern mit seinen pochenden Moll-Repetitionen und den abwärtsgehenden Linien in der Bassführung.

In den Verstexten werden schauerliche Geschichten von der Seefahrt erzählt, Unglück und Pech verfolgen den Seemann auf dem Meer und in seinen privaten Eskapaden. Aber dann kann er sich, nach kurzen Dur-Episoden aus den unerfreulichen Moll-Klängen herausreißen und in markigem (gleichnamigen) Dur-Klang seine Unerschütterlichkeit unbekümmert losschmettern. Nach einer starken Dominant-Spannung - „Wir fürchten uns nicht!“ - beginnt der Refrain. Aus Dur-Dreiklangstönen heraus lässt er sich sein „Leben nicht verbittern“ und erinnert sogar mit einer Dur-Phrase an die eher schlimmen Anfangsfiguren des Versteils, nun pausbäckig aufgehellt in einer positiven Variante, selbst „wenn die ganze Erde bebt und die Welt sich aus den Angeln hebt“.

Die besondere Langzeitqualität des Liedes und sein erstaunlicher Nachruhm lassen sich jedoch mit Verweisen auf immanente Sachverhalte nicht einleuchtend begründen, da fehlt doch einiges an herausragender Substanz. Die poetische Tiefe und musikalische Qualität eines vergleichbar strukturierten Lieds wie etwa Ich weiß nicht, zu wem ich gehöre (1932) von Friedrich Hollaender erreicht Jarys Lied nicht.

Dabei fällt ein Unterschied ins Gewicht, der beide Lieder trennt: Das Lied vom unerschütterlichen Seemann wirkt im Propagandaumfeld der Zeit als ein optimistisches Stimulans, das Hörer mit erwünschter Hoffnung beruhigen soll, um ihre Angst vor dem Krieg zu mindern, um ihre individuellen Problemlagen beherrschbar zu machen. Und dabei glauben sie zunächst tatsächlich an die Glücksbotschaften der NS-Propaganda. Mit den Angstzuständen der von den Nazis auserkorenen Opfern am Ende der Weimarer Zeit konnten die Gefühle von einer bitteren Zukunft nicht beruhigt werden, die saßen tief im Innern, ihre Metaphern brachten nur trostlose Zustände zum Ausdruck.

Gleichwohl, das Lied vom unerschütterlichen Seemann hat sich in das kollektive Gedächtnis zumindest der älteren Generation bis heute eingegraben, zum Mitsingen lassen sich die Metaphern des Lieds in vielfältige individuelle Wunschbilder verwandeln. Und auch die besondere Art des Refrain-Singens von Rühmann, Sieber und Brausewetter scheint inhaltliche Bedeutung zu tragen: Nach dem scheinbar ernsten Geschehen des „wilden Meers“ wird die Nicht-Erschütterung der drei Protagonisten in einer lässigen Foxtrott-Artikulation deutlich leiser und beschwichtigender präsentiert. Mit strahlend guter Laune jubiliert der Refrain über dem gerade beklagten trüben Alltag: Keine Angst, Rosmarie, was da jetzt auf der Welt geschieht, ist doch wohl halb so schlimm!


Zweifellos verfügt das Lied über weit mehr Beharrungskraft im Erinnerungsspeicher der Deutschen als Hollaenders wunderschönes, melancholisches Film-Chanson aus der von den Nazis verfemten Systemzeit“.47 Sicherlich auch, weil ihm die massive Propagandaunterstützung fehlte. Obwohl es ebenfalls den charakteristischen Ruck aus dem Moll-Trauerland der Verse in die gleichnamige Durtonart des Refrains vollzieht.

Dieser „Ruck“ scheint gerade für die bedeutenden Durchhaltelieder der weiteren Kriegszeit nach 1942 charakteristisch. Wie beim Lied vom unerschütterlichen Seemann gibt es diesen positiven Aufschwung auch bei den beiden herausragenden oben genannten „Durchhalteschlagern“ der Kriegszeit, vom selben Autorenteam Jary/Balz, Davon geht die Welt nicht unter und Ich weiß, es wird einmal ein Wunder geschehn aus dem Propagandafilm Die große Liebe (1942). Ihre Aufgabe bestand nicht mehr im Herstellen einer positiven Einstellung zum Kriegsbeginn, in einer freudigen Zustimmung zum Geschehen, sondern nun um das Ertragen und Aushalten der zunehmend schlimmer und belastender werdenden Kriegsumwelt zu unterstützen.

Bruno Balz als bekennender Homosexueller war mehrfach in Haft, konnte aber, auch mit Jarys Unterstützung, aus vorübergehender Haft freikommen.48 Als Autor der beiden Durchhaltelieder galt er auch bei Goebbels schließlich als eine kriegswichtige Person und stellte sein Können erfolgreich unter Beweis beim zweiten Versuch 1942 eines internen Wettbewerbs für das optimistische Lied. Die beiden Durchhaltelieder sind in diesem Kontext entstanden und wurden in den Propagandafilm Die große Liebe (1942) eingebaut.49


Über das Weiterleben des Lieds vom unerschütterlichen Seemann

Wie sehr sich das Lied vom unerschütterlichen Seemann dank der umfassenden Bemühungen des Propagandaministeriums und der NS-Medien im kollektiven Bewusstsein eingenistet hat und später in den Erinnerungen der Deutschen immer wieder auftaucht, davon zeugen unzählige Beispiele in dokumentarischen und literarischen Texten der Nachkriegszeit. In Berichten über die Kriegsjahre, in Romanen, die in dieser Zeit spielen, steht das Lied für seine Zeit im Krieg. Es dient als auditive Erinnerung und als Zeitdokument.50 Gelegentlich wird seine tröstende Funktion hervorgehoben. Die großsprecherisch-ironischen Anti-England-Parodien fehlen in der Nachkriegszeit selbstverständlich, das war kein Thema mehr und für neuere Auseinandersetzungen konnte das Lied kaum gebraucht werden. Aber oft bleibt es als ein Lied aus der Kriegszeit in Erinnerung. Die Unterhaltungsmedien in der Nachkriegszeit bringen es bei geeigneten Anlässen so häufig, dass die Umstände seiner Entstehung im allgemeinen Sprachgebrauch und seine Bindung an die NS-Propaganda allmählich verschwinden. Ein trivialer Endpunkt der Rezeptionsgeschichte, der schon recht frühzeitig zu beobachten ist, reduziert das Lied vom unerschütterlichen Seemann auf seine Schlagzeile als eine Redewendung, die nur noch als Stoßseufzer, als Aufmunterung, als trotziger Widerstand gegen akute Lebensprobleme fungiert: Das kann doch einen Seemann nicht erschüttern oder auch Keine Angst, Rosmarie.51


Erinnerungen an das Lied in der Kriegszeit

Unzählige Berichte und Texte mit Handlungszeit während der Kriegsjahre zitieren das Lied vom unerschütterlichen Seemann als ein charakteristisches auditives Requisit aus dieser Zeit. Dabei wechseln Kontexte und emotionalen Atmosphären. Das Lied gehörte unzweifelhaft dem medialen und privaten NS-Alltag an, eine offiziell gebilligte, jedoch scheinbar harmlose Botschaft mit optimistischer Grundhaltung und nicht korrumpiert durch vordergründige NS-Gehalte.

Auf einige interessante Fundstellen möchte ich eingehen. Diese (und andere, hier nicht erwähnte) finden sich im gesamten Nachkriegszeitraum bis heute. Zunächst soll es um Ereignisse und Erinnerungen aus der Kriegszeit gehen.

Manche Zeitgenossen merken erst später, dass ihnen das Lied zunächst nicht als Propagandainstrument auffiel, sonder tatsächlich brauchbare psychische Dienste geleistet hatte.

So berichtet der DDR-Autor Günther Cwojdrak aus der Zeit des Kriegsanfangs in einem Erinnerungstext:

„Daß dieser Schlager ein wohlberechneter Schlag gegen offiziell befürchtete Schlappheit und Ängstlichkeit war, das habe ich damals weder gewusst noch so empfunden. Es zogen sich am Himmel allerlei Gewitterwolken zusammen, war es da nicht schön, dass man, zusammen mit Rosmarie, keine Angst zu haben brauchte? Heute weiß ich: Goebbels hatte vorausschauend die richtige Taste gedrückt, und fast immer, nicht nur im Reich der Töne, fand er die passenden Gehilfen.“52

Zu dieser Zeit war der Autor knapp 16 Jahre alt und den NS-Medien kritiklos ausgeliefert.


In einem ursprünglich auf Französisch erschienenen und später auch auf Deutsch veröffentlichten Erinnerungsbuch, von ihr als roman biographique benannt, berichtet die ostpommersche „Junkers“-Tochter Waldtraut Helene Treilles (geb. 1926 als von Knebel-Doeberitz), die später nach Frankreich zog und dort heiratete, von ihren Erinnerungen an das Radiohören in der Kriegszeit. Sie hört das Lied vom unerschütterlichen Seemann in Radioübertragungen aus Amsterdam, Hilversum, Paris, Warschau, Brüssel und Oslo – alles damals von Sendern aus von Deutschland besetzten Ländern – und wundert sich:

Mais je me demandais parfois, toute gamine que j'étais, si nous avions vraiment besoin de toutes ce villes, tous ces pays, et si les habitants d'Hilversum ou d'Amsterdam ne préféreraient pas entendre leurs propres chansons ...“53


Sicherlich eine für die Kriegszeit recht naive Wahrnehmung, die aber bei einem etwa 16-18jährigen Mädel mit widerständiger Grundhaltung eine durchaus nachdenkliche Beobachtung zum Ausdruck bringt. Ihre Familie stand den Nazis ablehnend gegenüber, ihre Vater (General im Polenfeldzug) kam in Gestapo-Haft wegen des falschen Verdachts, zu den Verschwörern des 20. Juli 1944 zu gehören.54


Arno Surminski, ein Autor, der selbst unter den Nachkriegswirren zu leiden hatte - seine Eltern wurden 1945 deportiert und er musste als Elfjähriger allein in Ostpreußen zurückbleiben -, schreibt einen halbdokumentarischen Roman Vaterland ohne Väter. Dabei kommt auch das Lied vom unerschütterlichen Seemann als tönendes Relikt aus der Vergangenheit vor. Es singt dies ein Soldat, der das Lied zuhause immer gesungen hat und es „nach Russland mitnahm, wo er unter meterhohem Schnee begraben wurde.“55 Er starb also im Osten, das Lied hatte ihm nicht geholfen.

An einer anderen Stelle, anlässlich einer Hochzeit zwischen einem Soldaten und seiner Braut in der Heimat während des Kriegs, stimmt ein Musiker namens Zacharias alte Schlager und Tanzmusik auf seiner Klarinette an.

„Als er >Das kann doch einen Seemann nicht erschüttern< anstimmte, fielen sie singend mit ein. Drei Jahre Krieg, aber … das kann doch einen Seemann nicht erschüttern. Fünfhunderttausend Tote an der Ostfront … das kann doch einen Seemann nicht erschüttern.“56

Die Widerspruch zwischen Kriegsrealität und dem unerschütterlichen Schlager aus der Propagandatherapie wird recht sarkastisch beschrieben, jedoch aus der Nachkriegs-Perspektive des Schriftstellers.


Mit einer dem Hochzeitspublikum vergleichbaren Ignoranz reagiert ein Nazi-Ortsgruppenleiter namens Söhntgen in dem auf dokumentarischem Material aufgebauten Roman von Alexander Goeb um Kölner Geschehnisse mit den „Edelweißpiraten“, einer oppositionellen Gruppe von Arbeiterjugendlichen. Söhntgen sieht als überzeugter Nazi noch Ende 1944 den „Endsieg“ kommen. Sein Lieblingslied - „Das kann noch einen Seemann nicht erschüttern“ - hilft ihm, dem realitätsblinden NS-Funktionsträger, als emotionale Stütze an den „Endsieg“ zu glauben, den er sich von der V2-Rakete erhofft. Er bekämpft in Köln die Edelweißpiraten. Einer von ihnen erschießt ihn....57

Hier fungiert das Lied nicht als eine naive Hoffnungsbotschaft, sondern gleichsam als ein Nazilied. Zu dem Liedrepertoire der „Edelweißpiraten“ gehörte der Schlager dann wohl nicht.

In der Schlussphase des Kriegs kann die Botschaft des Lieds nurmehr ironisch verstanden werden. So wird in einem Text von Hans-Georg Behr von einer großbürgerlichen Party in Wien berichtet. Es ist kurz vor Kriegsende, den Russen gönnt man die Weine aus dem Keller nicht, trinkt sie selber, und alle singen die Lieder mit, darunter einige professionelle Opernsänger und -sängerinnen, ein Klavierprofessor spielt u.a. auch Schlager, darunter das Lied vom unerschütterlichen Seemann. Es klingt nach Katzenjammer, das Lied tröstet in die “falsche“ Richtung, es wirkt sarkastisch.58



Anmerkungen und Berichte zu dem Lied vom unerschütterlichen Seemann aus der Nachkriegszeit

Früh schon erkannte der Theologe Helmut Thielicke, damals neuer Professor in Tübingen, die problematische Funktion dieses Durchhalteschlagers. Er nimmt ihn als Beispiel, um den Unterschied zwischen „Halt“ und „Haltung“ zu erläutern. Luthers Lied „Ein feste Burg ist unser Gott“, das von einer Burg singt, in der der Mensch vor den Anfechtungen des Lebens Zuflucht und Halt finden kann, dient ihm als überzeugendere Alternative.

„An die Stelle dieses Liedes – man verzeihe die Drastik des Vergleichs – trat im vergangenen Krieg ein anderes Lied, ein Lied, gegen das ich an sich nichts einwenden möchte, das manchem gute Dienste getan haben mag, aber das doch auf letzte weltanschauliche Abgründe deutete. Ich meine das Lied „Das kann doch einen Seemann nicht erschüttern“ Warum kann den Seemann das nicht erschüttern? Das weiß er selbst nicht. Es macht ihm einfach Freude, sich nicht erschüttern zu lassen und den wildesten Wogen die Zähne zu zeigen. Es ist das typische Lied der Haltung, die weiter nicht nach ihren Gründen fragt, sondern >einfach< steht.“59

Über die „guten Dienste“, die das Lied den zeitgenössischen Zuhörern geleistet haben könnte, lässt sich Thielicke leider nicht aus. Da wären die Hinweise von Berghahn (s.o.) für die Verarbeitung eines derartigen Schlagers weiterführend. Und zwischen der propagandistischen Funktion und der Bedeutung einer individuellen Aneignung ist zu unterscheiden. Schlagertrost, wenn auch brüchig, kann psychisch helfen, birgt aber keine Garantie für reale Hilfe. Und er kann objektiv schaden. Dies allerdings deutet Thielicke an, wenn er auf die Abgründe verweist, die von einer nicht hinterfragten, blind-optimistischen Einstellung gegenüber dem realen Kriegsalltag zeugen. Dieses Phänomen konnte auch bei dem Kölner Ortsgruppenleiter Söhntgen (s.o. und Anm. 57) sehr gut beobachtet werden.

Ein weiterer Fall weist auf persönliche Erinnerungen an Kriegsereignisse hin, die eng mit dem Lied vom unerschütterlichen Seemann verbunden sind. Stephan Hermlin, der bedeutende DDR-Schriftsteller, hört in Moskau eines Nachts im Frühjahr 1948 im Hotel noch spät, wie ein Lautsprecher vom Hoteldach das Lied vom unerschütterlichen Seemann mit „brüllendem Chor“ wiedergibt, zu hören „bis an die Mauern des Kreml“. Er vermutet eine versehentlich in das Programm geratene Schallplatte als Kriegsbeute. Dieses Erlebnis beginnt aus einem Traum heraus - er war völlig übermüdet eingeschlafen und fühlte sich im Traum zurückversetzt in eine Kriegssituation, die ihn in Frankreich an das drohende Anrücken von Soldaten erinnerte: „Siesindda, siesindda, siesind da!“ (im Rhythmus von „Keine Angst, keine Angst Rosmarie!). Davon wacht er auf und das Lied vom unerschütterlichen Seemann schallt weiter vom Hoteldach, immer noch mit brüllendem Chor. Ein Rest der vergangenen historischen Bindung dieses Lieds scheint hier noch deutlich spürbar. Es belastet den Träumenden, er bekommt Angst. Dem Autor ist es vertraut als ein Propagandavehikel, das ihn unversehens über die auditive Erinnerungsbrücke in die gefährliche Kriegszeit zurückversetzt.

Derartige Gedanken kamen dem deutschen Kinopublikum bestimmt nicht in den Sinn, als in dem Film Schlagerparade (1953) wieder einmal Michael Jarys Marschfox zu hören und zu sehen war mit Jary und den Schöneberger Sängerknaben.60


Manche Texte zitieren das Lied vom unerschütterlichen Seemann, um die Präsenz historischer Mentalitäten anzuzeigen. Etwa bei Uwe Johnson, in den Jahrestagen, wird von einer Busfahrt in Schleswig-Holstein berichtet, die Heimat als Klischee bedient und bei passender Gelegenheit die Touristen vom Bordlautsprecher mit “Lieder aus den Konzerten des Großdeutschen Rundfunks und der Naziwehrmacht“ bespielt. Darunter „Das kann doch einen Seemann nicht erschüttern (zu singen bei Verlusten im Seekrieg)“. Die Reise findet 1964 statt und neben den Bedeutsamkeiten der Landschaft, die neben den NS-Liedern vorbeizieht, vom Busfahrer erläutert, aber ohne jeden Hinweis auf ehemalige Gräueltaten in dieser Gegend am Kriegsende.61 Ganz affirmativ erinnert das Lied an glorreiche NS-Zeiten und demonstriert zugleich das Unvermögen, mit vergangenen Schandtaten angemessen umzugehen.

Die offizielle DDR-Meinung bringt das große Sammelwerk Geschichte der deutschen Literatur zum Ausdruck, das völlig zu Recht darauf hinweist, dass ein entscheidender Aspekt bei der Betrachtung der faschistischen Literatur und ihrer möglichen systemerhaltenden Funktion fehlte, wenn die Unterhaltungslyrik als massenwirksamste literarische Kraft nicht aufgeführt würde. Damit sind vor allem Schlager gemeint. Als ein Beispiel unter anderen: das Lied vom unerschütterlichen Seemann ,

„eine Auftragsarbeit des Propagandaministeriums, greift eine Art von >Katastrophenmotiv< auf, um mit einer Gebärde, die Überlegenheit vortäuschen soll, ein heiter stimmendes Durchhaltepathos an den Schluß zu stellen...“62


In Hans Magnus Enzensbergers Der Untergang der Titanic - ein Epos in 33 Gesängen mit diversen dazwischen geschobenen Zusatztexten - taucht im 13. Gesang „Das kann doch einen Seemann nicht erschüttern“ auf.63 In dem großen Gedicht geht es um eine poetische Kritik am Fortschrittsglauben, angebunden an den historischen Fall des damals 1912 als unsinkbar bezeichneten Dampfers Titanic. Bekanntlich versank dieses Monument technischer Vollkommenheit im Nordatlantik nach einer Kollision mit einem Eisberg. Zahlreiche Texte und Bilder unterschiedlichster Herkunft werden montiert um die Schiffskatastrophe als Kern, verankert in Querverbindungen zu allerlei Unglücksfällen und Katastrophen. Das Lied vom unerschütterlichen Seemann, im 13. Gesang, wird scheinbar als Bestandteil des letzten Bordprogramms der Titanic-Schiffskapelle inszeniert. Das Ende des vorhergehenden 12. Gesangs lautet nämlich:

„Hier spricht der Kapitän. Es ist genau zwei Uhr, und ich befehle: Rette sich wer kann! - Musik! Zur letzten Nummer erhebt der Kapellmeister seinen Stock“.64

Und es hebt an mit dem 13. Gesang die erste Zeile des Verses aus dem Lied vom unerschütterlichen Seemann, abgelöst durch eine Zeile aus dem 3. Vers von „Näher mein Gott zu Dir“65. Von dieser Hymne wird berichtet, dass die Schiffskapelle sie als letztes Stück vor dem Untergang des Dampfers spielte. Enzensberger montiert Zeilen aus dem Lied vom unerschütterlichen Seemann, aus Davon geht die Welt nicht unter (Jary/Balz 1942) und aus christlichen Hymnen, vor allem aber aus „Näher mein Gott zu Dir“. Diese Collage von Katastrophenliedern aus dem 2. Weltkrieg und den Hymnen-Fragmenten wirkt außerordentlich intensiv. Selbst die Zeilen vom unerschütterlichen Seemann gewinnen an Tiefe und Ernst, ebenfalls das durch Zarah Leander bekannte Durchhaltelied Davon geht die Welt nicht unter. Mit dieser Refrainzeile wird schließlich die Coda des 13. Gesangs gestaltet.

Es wirkt recht überzeugend, wie sich christliche Erbauungstrosttexte im Verein mit kruden Schlagerzeilen zu einem bilderreichen und eindrucksstarken Stimmungspanorama zusammenfügen.

Und natürlich gehören sie einem eklatanten historischen Katastrophenszenario an. Aber dies tritt in dieser Verarbeitungsform eher in den Hintergrund, nur unter der Oberfläche der Collage wären Gedanken an die deutsche NS-Katastrophe möglich. So aber dominiert die ästhetische Wirkung des sprachlichen Geschehens und das Lied vom unerschütterlichen Seemann wie auch das Durchhaltelied verlassen ihren historischen Zusammenhang und werden Teil der Schiffskatastrophe in dieser großen Titanic-Versoper. Allerdings wohl nicht in dem Sinn, den Alan J. Clayton ihnen beimisst, nämlich als Zersetzung der ruhigen und traurigen Religiosität, die sich aus diesem bewussten Anachronismus ergeben solle.66 Wohl aber wirkt hier ein Rest des NS-Durchhaltepathos in der Interferenz mit den religiösen Todesliedern. Und gerade dies stiftet die starke, überraschende Wirkung dieser Textmontage des 13. Gesangs.


Immer noch zu hören und zu sehen: Das Lied vom unerschütterlichen Seemann!


Natürlich wird das Lied vom unerschütterlichen Seemann immer noch gespielt und gesungen. In älteren Unterhaltungsfilmen und in Fernsehshows taucht das Lied immer mal wieder auf.67 Aber auch in ganz aktuellen Aufnahmen ist Jarys Lied zu hören, meistens aus den Bereichen Schlager und „Volksmusik“, allerdings kaum experimentell. In der Deutschen Nationalbibliothek (über 160 Nachweise), über den Karlsruher Virtuellen Katalog, über Youtube oder Spotify lässt sich das Lied vom unerschütterlichen Seemann in vielerlei Versionen finden. Von Fred Bertelmann und Freddy Quinn aus den 1960er Jahren bis zu Guildo Horn und seinen orthopädischen Strümpfen in einer Krawall-Version 2002, mit dem Crew- und Shantychor von MS Deutschland 2005, 2009 von Paulsrekorder (leicht experimentell) und 2014 mit dem Salonorchester Erfurt stößt man auf eine bunte Reihe von Interpretationen des alten Propagandalieds. Vermutlich wird es noch viele Jahre als fröhlicher Marschfox, zum Gebrauch bei Schützenfesten, bei Tanz- und Karnevalsveranstaltungen, im Radio, im Fernsehen und auch bei privaten Feiern weiterleben.












1Peter von Werder: Trugbild und Wirklichkeit im Film. Aufgaben des Films im Umbruch der Zeit, Leipzig 1941, S.9

2Paradies der Junggesellen, D 1939, R: Kurt Hoffmann, M: Michael Jary, Liedtext Bruno Balz, D: Heinz Rühmann, Josef Sieber, Hans Brausewetter; eine Heinz Rühmann Produktion der Terra-Filmkunst

3Karsten Witte: Filmkomödie im Faschismus, Diss. Frankfurt 1986, S.139

4Als Drehbuchschreiber agierten Karl Peter Gillmann und Günter Neumann (der spätere Nackriegskabarettist der Berliner „Insulaner“). Letzterer konnte auch in der Nachkriegszeit seine Anpassungsfähigkeit und erwünschte politische Spaßkultur unter Beweis stellen. Als Regisseur drehte der junge Kurt Hoffmann seinen ersten Film, in seinen späteren Filmen, wie etwa Wirtshaus im Spessart (1958) oder Wir Wunderkinder (1958) tauchen gelegentlich Mitarbeiter aus seiner NS-Produktionszeit auf (so etwa Günter Neumann).

5Goebbels notiert in den Tagebüchern am 29.7.1939: „Ein lustiger Rühmann-Film, aber nicht ganz überzeugend. Zuviel Klamauk!“. Vgl. Fröhlich, Elke (Hg.): Die Tagebücher von Joseph Goebbels, Teil I, Bd. 7, München: Saur 1998, S.53; vgl. weiter Hippler, Fritz : Die Verstrickung, Düsseldorf: Verlag Mehr Wissen 1981, S.247

6Vgl. Sellin, Fred : Ich brech' die Herzen … Das Leben des Heinz Rühmann, Reinbek: Rowohlt 2001, S.225, 242 u.a.

7Jary, Micaela : Ich weiß, es wird einmal ein Wunder gescheh'n. Die große Liebe der Zarah Leander, Berlin: edition q 1993, S.112-120. Auch im weiteren erscheint der von Micaela Jary beschriebene Vorgang zwischen Jary und dem RMVP weitgehend auf einer ausgeschmückten Erfindung seiner Tochter zu beruhen. Unwahrscheinlich, dass bereits nach so kurzer Zeit Noten und Platten eingestampft worden seien, denn um einen solch argen Flop, wie hier beschrieben, hat es sich mit Sicherheit nicht gehandelt. Und da 1939 bereits einige Schallplattenaufnahmen mit bekannten Orchestern der Zeit vorlagen, lässt sich nicht behaupten, das Notenmaterial sei schon vernichtet worden. Aber dies macht sich als Legende recht gut.

8Vgl. Würmann, Carsten: Zwischen Unterhaltung und Propaganda. Das Krimigenre im Dritten Reich, Diss. Berlin FU 2013, http://d-nb.info/1045859192/34, S. 181; vgl. auch Sellin: Rühmann (wie Anm.6), S.183

9Hippler: Verstrickung (wie Anm.5), S.247; Deutschland-Berichte der SPD (Sopade), 6.Jg. 1939, Frankfurt: Zweitausendeins 1980, S.567

10Berghahn, Wilfried : In der Fremde. Sozial-psychologische Notizen zum deutschen Schlager. In: Frankfurter Hefte. Zeitschrift für Kultur und Politik 17. Jg. (1962), S.193-202

11Ebd. S.195

12Lt. IMDB im selben Jahr noch in Holland, 1940 dann in Ungarn, Dänemark, USA, Schweden, Frankreich und 1941 in Finnland zu sehen. Vgl. http://www.imdb.com/title/tt0031783/releaseinfo?ref_=tt_dt_dt

13André Port le roi: Schlager lügen nicht. Deutscher Schlager und Politik in ihrer Zeit, Essen: Klartext Verlag 1998, S.28; über die Entwicklung der Sendung Wunschkonzert in der NS-Zeit vgl. Koch, Hans-Jörg 2003 oder 2006.

14Zur näheren Information über die Sendung Wunschkonzert für die Wehrmacht vgl. Koch, Hans-Jörg: Das Wunschkonzert im NS-Rundfunk, Köln u.a.: Böhlau 2003 bzw. Koch, Hans-Jörg: Wunschkonzert. Unterhaltungsmusik und Propaganda im Rundfunk des Dritten Reichs, Graz: Ares Verlag 2006

15Vgl. Falkenberg, Karin: Radiohören: zu einer Bewußtseinsgeschichte 1933 bis 1950, Haßfurt: Institut für Alltagskultur 2005, S.85-86

16Vgl. Koch,: Wunschkonzert 2003 (wie Anm. 11), S. 224-225

17Vgl. Jary, Ich weiß (wie Anm. 6), S.119; aber auch bei anderen Autoren zu finden (etwa bei Jockwer und Sarkowicz)

18Prien, Günther: Mein Weg nach Scapa Flow, Berlin: Deutscher Verlag 1944; Frank,Wolfgang: Prien greift an. Nach Aufzeichnungen des Verfassers an Bord und den beim Befehlshaber der Unterseeboote vorliegenden dienstlichen Kriegstagebüchern des Korvettenkapitäns Günther Prien, Hamburg : Köhler [1942]

19Vgl. Frank: Prien [1942](wie Anm. 18), S. 184

20Görtz, Franz Josef/Sarkowicz, Hans: Heinz Rühmann (1902-1994). Der Schauspieler und sein Jahrhundert, München: Beck 2001, S.206; Fließ war Schriftsteller, Journalist und Verlagsmitarbeiter auch in der Nachkriegszeit. Vgl. http://www.stephaneum.de/index.php?id=91; Gillum, Marion /Wyrchowy, Jörg (zus.gest. u. bearb.): Politische Musik in der Zeit des Nationalsozialismus. Ein Verzeichnis der Tondokumente (1933-1945), Potsdam: Verlag für Berlin-Brandenburg 2000, S.109

21Die Unterhaltungsmusik Nr.2812 vom 9.11.1939, S.1433; Völkischer Beobachter 24.10.1939

22 Moeller, Felix: Der Filmminister. Goebbels und der Film im Dritten Reich, Berlin: Henschel 1998, S.447; Sarkowicz, Hans (Hg.): Hitlers Künstler. Die Kultur im Dienste des Nationalsozialismus, Frankfurt/Leipzig: Insel Verlag 2004, S.353

23Vgl. Koch: Wunschkonzert 2003 (wie Anm.11), S.219. Fraglich, ob der genannte „Truppenteil“ tatsächlich seinen von einer großen Spende begleitenden Wunsch geäußert hat, oder ob hier nicht vielmehr ein „Wunsch“ des Propagandaministeriums kaschiert wird, der auch bei den Landsern für gute Stimmung sorgen soll.

24So wurden vom Wiener Bohème-Verlag, dem Originalverlag, verschiedene Ausgaben angeboten, die Standardausgabe für Gesang u. Klavier, auch mit zusätzlicher Violine; aus der Bohème-Tanzserie eine Tanzmusikbesetzung mit Piano-Direktion, Arr. Walter Borchert , Berlin 1939. Dann gab es den Seemann in einem Schlager-Potpourri, von Reiny Roland bearbeitet, 12 Treffer, für Salonorchester mit Saxofonstimmen, Leipzig 1940. In Band 29 der seit den 20er Jahren erscheinenden Serie für Gesang und Klavier Zum 5 Uhr Tee. Five o'clock, Leipzig [1939], steht der Seemann an erster Stelle. Als Angebot auf dem Musikalienmarkt ist das Lied auch heute noch vertreten, in Einzelausgaben für Gesang und Klavier und in Sammelalben, etwa in Jary-Filmkarussell, im selben Wiener Bohème Verlag wie damals, in Easy Organ, Volume 1, Ufaton-Verlag und in diversen anderen Ausgaben

25Lumpacivagabundus, Österreich 1936, R: Géza von Bolváry, D: Heinz Rühmann, Paul Hörbiger u.a., M: Hans Lang

26Sämtliche Produktionen sind in der Deutschen Nationalbibliothek nachgewiesen und vorhanden.

27Gillum/Wyrchowy: Politische Musik (wie Anm. 21), S. 108-109. Eine Aufnahme dieser Parodie ist von Charlie and his Orchestra in der Deutschen Nationalbibliothek nachgewiesen.

28Vgl. zur weiteren Information die von Prof. Dr. Sabine Giesbrecht angelegte Sammlung von Lied-Postkarten; dort sind weitere Beispiele von Lied-Postkarten zum Seemann zu finden: http://www.bildpostkarten.uni-osnabrueck.de/

29Fröhlich: Tagebücher Goebbels (wie Anm.5), S.332; Goebbels bezieht sich auf die Wunschkonzert-Eigenschaft der Sendung: Wünsche konnten nur gegen eine Spende geäußert werden und nur Soldaten durften sich etwas wünschen. Das Spendenaufkommen war dank der „Großherzigkeit und Güte“ der „Volksgenossen“ sehr umfangreich.

30Adam, Christian: Lesen unter Hitler. Autoren, Bestseller, Leser im Dritten Reich, Berlin: Galiani 2010, S.324

31Goedecke, Heinz/ Krug, Wilhelm: Wir beginnen das Wunschkonzert für die Wehrmacht, Berlin-Leipzig: Nibelungen-Verlag 1940, S.40

32Ebd., S.196

33Ebd., S.214

34Wunschkonzert, R. Eduard von Borsody, Produktion: Cine-Allianz/UFA 1940, D: Ilse Werner, Carl Raddatz, Heinz Goedecke u.v.a.

35vgl. Film-Kurier Nr. 235 vom 7. Okt. 1940, S.3

36vgl. Ritzel, Fred . Tod - ein Thema des Schlagers?. In: Politik und gesellschaftlicher Wertewandel im Spiegel populärer Musik. Hg. von Mechthild von Schoenebeck/Jürgen Brandhorst/H. Joachim Gerke. Essen: Die blaue Eule 1992, S. 87-101

37Zitiert nach Albrecht, Gerd (Hg.): Die grossen Filmerfolge, Ebersberg: Edition Achteinhalb 1985, S.38

38Vgl. Thiele, Jens /Ritzel, Fred: Politische Botschaft und Unterhaltung - die Realität im NS-Film: DIE GROSSE LIEBE (1942), in: Faulstich, Werner/Korte, Helmut (Hg.): Fischer Filmgeschichte Bd.2: Der Film als gesellschaftliche Kraft, Frankfurt: Fischer 1991, S.310-323

39Quelle Gerhard Pallmann: Der Führer hat gerufen, T.2: Neue Kriegslieder, Leipzig: Simrock 1940;

vgl. auch Görtz, Franz Josef /Sarkowicz, Hans: Heinz Rühmann (1902-1994). Der Schauspieler und sein Jahrhundert, München: Beck 2001, S.207-208. Wie bereits oben erwähnt, wird die Botschaft der Texte von der erfolgreichen Scapa Flow-Aktion des U-Boot-Kapitäns Günther Prien im Oktober 1939 abgeleitet.

40Ein Schlager, In: Film-Kurier Nr. 248 vom 24.Oktober 1939

41Ebd.

42Beim unerschütterlichen Seemannsvater“, In: Völkischer Beobachter, 24.Oktober 1939

43Fackler, Guido: „Des Lagers Stimme – Musik in KZ. Alltag und Häftlngskultur in den Konzentrationslagern 1933 bis 1936, Bremen: Edition Temmen 2000, S.395

44Taterka, Thomas: Dante Deutsch: Studien zur Lagerliteratur, Berlin: Schmidt 1999, S.47 Fußnote 117

45Langbein, Hermann: Der Auschwitz-Prozeß: eine Dokumentation, Bd.1, Frankfurt: Verlag Neue Kritik 1995, S.237

46http://members.gaponline.de/alois.schwarzmueller/ns_zeit_1944_zwangsarbeit_texte/zwangsarbeit_7_lage_aendert_sich.htm

47Aus dem Film Stürme der Leidenschaft, D 1932, R: Robert Siodmak, D: Emil Jannings, Anna Sten, Trude Hesterberg u.a.

48Vgl. http://bruno-balz.com/index.php/lebenslaenglich-verfolgt-175

49Hippler: Verstrickung (wie Anm.5), S.247ff.; vgl. dazu auch Thiele/Ritzel: DIE GROSSE LIEBE (wie Anm. 37), S.316

50Einige Beispiele: Holst, Ronald: Die Spur des Mitläufers: Leben zwischen Wilhelm II. und Adenauer, Books on Demand 2011, S.177; Winterstein, Werner : „Anmerkung: Prominent“: die Geschichte der Familie Winterstein 1867-1945, Wien/Köln/Weimar: Böhlau 2008, S.257; Lucas Delattre: A Spy at the Heart of the Third Reich: The Extraordinary Story of Fritz Kolbe, Americas Most Important Spy in World War II, New York: Grove/Denoel 2003, S.58; Werner, Bruno E.: Die Galeere, Frankfurt: Suhrkamp 1949, S.471; Schreyer, Wolfgang : Der zweite Mann. Rückblick auf Leben und Schreiben, Berlin: Das Neue Berlin Verlagsgesellschaft 2000 (Edition digital: Godem 2013), S.14

51Als Beispiele: Preuss, Gunter: Frau Butzmann und ihre Söhne, Berlin: Verlag Neues Leben 1987, S.149; Jelinek, Elfriede: Die Kinder der Toten, Reinbek bei Hamburg: Rowohlt 1995, S.229; Kant, Hermann: Kino, Berlin: Aufbau-Verlag 2005, S.95 u.v.a.

52Cwojdrak, Günther: Ein Hauch von Krieg. In: Neue Deutsche Literatur. Monatsschrift für Literatur und Kritik, 37. Jg. Heft 8 (August 1989), S.33

53Treilles, Waldtraut Helene: La vie caméléon, Mémoires sans nostalgie d'une Allemande exilée (1926-1954), Paris: Editions Chemins de tr@verse, 2011, S.132

54http://crises.upv.univ-montp3.fr/files/2013/01/treilles-par-menard.pdf

55Surminski, Arno: Vaterland ohne Väter, Berlin: Ullstein 2006, S. 136

56Ebd., S.339

57Goeb, Alexander: Er war sechzehn, als man ihn hängte, Hamburg: Rowohlt 1981 (hier Ausg. 2001, 2. Aufl. 2006) S.74

58Behr, Hans-Georg : Fast eine Kindheit, Frankfurt: Eichborn 2003, S.101

59Thielicke, Helmut: Der Mensch des Säkularismus. Fragen des Christentums an die moderne Welt. In: Universitas. Zeitschrift für Wissenschaft, Kunst und Literatur, Jg.1/Heft 9 (1946), S. 1071

60Schlagerparade, BRD 1953, R: Erich Ode, M: u.a. Michael Jary. Selbst ein Filmtitel nutzt die Erinnerung an das immer noch bekannte Lied: Das kann doch unsren Willi nicht erschüttern, eine deutsche Filmkomödie von 1970 mit Heinz Erhardt in der Hauptrolle.

61Johnson, Uwe: Jahrestage 3. Aus dem Leben von Gesine Cresspahl, Frankfurt: Suhrkamp 1973, S.1249-1250

62Geschichte der deutschen Literatur . Von den Anfängen bis zur Gegenwart. Zehnter Band, 1917 bis 1945, Hg. von einem Autorenkollektiv unter Leitung von Hans Kaufmann in Zusammenarbeit mit Dieter Schiller, Berlin: Volk und Wissen 1973, S.598

63Enzensberger, Hans Magnus: Der Untergang der Titanic. Eine Komödie, Frankfurt: Suhrkamp 1978, S.48-50; zur näheren Analyse dieses Textes vgl. Alan J. Clayton: Writing with the words of others: essays on the poetry of Hans Magnus Enzensberger, Würzburg: Königshausen & Neumann 2010, S.17-129

64Ebd. S. 47

65Vgl. Nr.444 in Reichs-Lieder: deutsches Gemeinschaftsliederbuch, Neumünster: Gerhard Möbius Evangelischer Verlag 1909 (Aufl. 2007), S.216-217. Wahrscheinlich wurde für die Textcollage die deutsche Übersetzung des Originals „Nearer, my God, to Thee“ von Sarah Flower Adams (ca. 1840) von Enzensberger benutzt.

66Clayton Writing (wie Anm.63), S.189

67Schlagerparade, BRD 1953, R: Erik Ode, wo ein Knabenchor den Seemann in einem mit stilisierten Schiffsmasten drapierten Szenenbild schmettert; in Fernsehshows, etwa 1973 Unterhaltungsmusik um 1940, mit Günther Schramm und Max Greger u.a.m.